Gewalt gegen Christen nimmt zu



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In Ägypten hat die Gewalt gegenüber Christen in den letzten sechs Jahren zugenommen. Behörden dulden die Diskriminierung, beobachtet ein katholischer Unternehmer aus der Schweiz. Er ist seit 15 Jahren in dem Land tätig. Seit drei Jahren hat er einen Wohnsitz in Kairo. Um seine Sicherheit nicht zu gefährden, nennt idea seinen Namen nicht.

Seit der Revolution im Jahr 2011 dreht sich die Spirale der Gewalt gegen Minderheiten schneller. Attacken und Anschläge auf Christen häufen sich. Hinzu kommen Kirchenschließungen. Allein in der dritten Oktoberwoche 2017 waren es in der Provinz Al-Minya vier. Eine davon war die Kirche St. George im Dorf Sheik Alaa, rund 250 Kilometer südlich von Kairo. Bereits 2015 hatten Muslime sie beschädigt. Statt die Angreifer zur Rechenschaft zu ziehen, schloss die Polizei damals das Gotteshaus unter dem Vorwand, so die Christen zu schützen.

„Wir werden die Christen vernichten“

Im September 2017 eröffnete Priester Moussa Thabet die reparierte Kirche wieder. Angestachelt von dem örtlichen Imam zogen am 22. Oktober rund 60 Muslime nach dem Abendgebet in einer nahe gelegenen Moschee zur Kirche. Sie skandierten: „Islam, Islam, Islam … nieder mit den Christen … Wir werden sie vernichten und das Dorf von Ungläubigen reinigen.“

Die Polizei schaute tatenlos zu

Die Polizei sah tatenlos zu und ordnete erneut die Schließung an. Erst am 7. Januar durfte die Kirche wieder öffnen. Eine entsprechende Bewilligung erteilte die Regierung aus Anlass des koptischen Weihnachtsfestes auch anderen bislang geschlossenen Kirchen. Der Schritt dürfte ein taktisches Manöver des Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sein. Es wird erwartet, dass sich der Staatschef am 28. März um eine weitere Amtszeit bewirbt. Die Bewilligungen bringen ihm Stimmen unter den Christen ein. Es ist wahrscheinlich, dass die Kirchen nach der Wahl wieder geschlossen werden.

Willkür und Schikanen

Die Ungleichbehandlung der Christen betrifft in dem muslimisch geprägten Land viele Lebensbereiche. Ihre Kinder bekommen an öffentlichen Schulen mitunter schlechtere Noten als die muslimischen. Mädchen werden gezwungen, Kopftücher zu tragen. Universitäten halten Prüfungen manchmal bewusst an hohen christlichen Feiertagen ab – etwa Heiligabend oder Ostern. Vereinzelt lassen Richter Christen in Gerichtssälen nicht als Zeugen zu. Stattdessen dürfen sie dann nur schriftliche Dokumente einreichen – weil sie als „Ungläubige“ gelten und ihre Aussage dem islamischen Recht – der Scharia – widersprechen würde.

Die Regierung hat eine Mitschuld

Die Zahl der getöteten Christen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Auch wenn die ägyptische Regierung stets das Gegenteil behauptet: Sie duldet Übergriffe und Gewaltakte gegen koptische Christen. Es schockiert mich, dass koptische Eltern Gottesdienste aus Sicherheitsgründen getrennt besuchen – damit sich im Fall eines Attentats wenigstens ein Elternteil um die Kinder kümmern kann. Einheimische, die Christen umbringen, haben nur wenig zu befürchten. Werden solche Fälle bekannt, tut die Regierung das etwa damit ab, dass der Täter geisteskrank sei. So ­geschehen etwa nach dem Mord vom 3. Januar 2017 in ­Alexandria. Ein Muslim hatte damals einem christlichen Kleinhändler die Kehle durchgeschnitten. Er wurde von der Polizei verhört, als geisteskrank eingestuft und wieder frei gelassen.

Wie Totenscheine manipuliert werden

Bislang ungestraft kamen auch jene Terroristen davon, die am 26. Mai 2017 ein Massaker anrichteten. Sie brachten in der Nähe des Klosters St. Samuel in Al-Minya Kalamon 29 Christen um, darunter fünf Kinder. Einige Attentäter wurden später von den Überlebenden als Muslime identifiziert, die aus den gleichen Dörfern stammen wie die Christen. Deutlich wurde im Zusammenhang mit dem Massaker auch eine perfide Manipulation. Die Toten waren in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Den Angehörigen übergab man Totenscheine mit der Todesursache „Schock“. Um vom Staat eine Entschädigung zu erhalten, müssen sie bei der Polizei eine Anklage wegen Tötung einreichen. Dafür braucht es auch in Ägypten Beweise. Ein Totenschein mit der Todesursache „Schock“ ist aber kein Beweismittel für ein Gewaltverbrechen. So hatten die Hinterbliebenen keine Möglichkeit, eine Anklage zu erwirken.

Junge Christinnen werden entführt und zwangsislamisiert

Mir sind Fälle bekannt, in denen junge Christinnen von Islamisten entführt, mit Gewalt zur Konvertierung gezwungen und gegen ihren Willen verheiratet wurden. Reichten die Familien bei der Polizei eine Vermisstenmeldung ein, dann suchte sie manchmal nicht die Verschleppten, sondern überwachte stattdessen die Familie als Problemmacher – so geschehen im März 2017 in Luxor und Quena. Salafistische Organisationen handeln regelrecht mit christlichen Mädchen und bezahlen jedem eine Prämie, der eine junge Frau islamisiert und heiratet. Oft tauchen diese Mädchen nie wieder auf, denn sie werden zu Hause von den muslimischen Großfamilien als Sexsklaven gehalten oder nach Saudi-Arabien an einen Harem verkauft.

Universitätsleiter spricht mit gespaltener Zunge

Der oberste Leiter der weltweit größten Koranschule – der Al-Azhar Universität in Kairo –, Ahmed Mohammad Al-Tayyeb, tritt im Westen – etwa 2017 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin – als Religionsvermittler auf und präsentiert dort einen humanen Islam. In Wirklichkeit ist die Al-Azhar Universität jedoch die Brutstädte der Muslimbrüder und die Denkschmiede eines konservativen, gewaltverherrlichenden Islams. Sie hat viele führende Köpfe von Terrororganisationen hervorgebracht. Der Leiter von Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde), Abubakar Shekau, der mit seinen Schergen im April 2014 in Nigeria 276 christliche Schulmädchen entführte, zwangskonvertierte und mit Muslimen verheiratete, hat dort ebenso studiert und als Dozent gearbeitet wie Omar Abdel-Rahman (1938–2017) – bekannt als „blinder Scheich“. Er war verantwortlich für das Massaker von Luxor und hat mit seiner radikalen Ideologie Tausende von Imamen geprägt. Der IS-Führer Abu Osama al-Masri, der in vielen Anschlägen Hunderte Menschen tötete und den Absturz eines russischen Passagierflugzeuges im Sinai im Jahr 2015 anordnete, ist dort genauso ausgebildet worden wie Mohammed Abd al-Salam und Abdullah Yusuf Azzam von der Terrororganisation Al-Qaida – um nur einige Beispiele zu nennen. Da ist es nur folgerichtig, dass Al-Tayyeb im staatlichen ägyptischen Fernsehen sagte, die IS-Kämpfer seien keine Terroristen, sondern führten den Auftrag des Propheten Mohammed aus.

Gleichzeitig bemühen sich die ägyptischen Behörden sehr um ein gutes, weltoffenes Image im Ausland, damit die wirtschaftlichen Investitionen nicht stocken und die Gäste kommen. Touristen aus aller Welt – insbesondere auch ausländische Christen – sind in Ägypten immer willkommen. Es ist ein krasser Gegensatz zu dem, was ich im Alltag erlebe.

Die Kopten

Die koptisch-orthodoxe Kirche führt ihren Ursprung auf den Evangelisten Markus zurück. Der Autor des ältesten der vier Evangelien soll im 1. Jahrhundert nach Christus in Ägypten gewirkt haben und in Alexandria den Märtyrertod (68 n. Chr.) gestorben sein. In Ägypten bilden die bis zu zehn Millionen Kopten die größte Kirche. Ihr Oberhaupt ist seit 2012 Papst Tawadros II. Kopten sind die Urbewohner und somit Nachfolger der „Alten Ägypter“. Sie benutzen eines der ältesten Kalendersysteme der Welt, das auf die Zeit der Pharaonen zurückgeht. Als muslimische Araber Ägypten im Jahr 642 eroberten, mussten die Kopten eine Kopfsteuer bezahlen oder zum Islam konvertieren. Bis heute sind sie Diskriminierungen ausgesetzt. (Quelle: idea)