Mali leidet unter islamistischen Terror



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Priester aus Zentralmali zu wachsenden katholischen Gemeinden und schwelender Terrorgefahr. Seit 2012 tobt Krieg im westafrikanischen Mali. Auslöser waren Unabhängigkeitsbestrebungen der Tuareg, eines Nomadenstammes im Norden Malis. Um einen eigenen Staat errichten zu können, hatten sich die Tuareg-Kämpfer mit radikalen und kampferprobten Islamisten verbündet. Diese gewannen die Oberhand. Nach und nach wurden die Tuareg zu Gejagten ihrer einstigen Verbündeten.
Seit dieser Zeit ist Mali faktisch geteilt. Hunderttausende haben ihre Heimat verloren. 2013 griff Frankreich in den Krieg ein. Die Vereinten Nationen folgten – aktuell befinden sich auch etwa 300 Bundeswehrsoldaten in Nordmali im Einsatz. Stabilität und Frieden sind in weiter Ferne. Von den rund 14,5 Millionen Einwohnern Malis sind rund 85 Prozent Muslime. Jeder Zehnte gehört Naturreligionen an. Nur etwa zwei Prozent sind katholisch – mit wachsender Zahl. Dies berichtet der Ökonom der Diözese Mopti, Pater Germain Arama. Sein Bistum liegt in Zentralmali. Über die aktuelle Lage und die Aufgabe der Kirche in Mali hat das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ mit Pater Germain gesprochen.

„Kirche in Not“: Mali leidet unter dem islamistischen Terror. Führt das zu Spannungen zwischen Christen und Muslimen?
Pater Germain: Christen und Muslime leben Seite an Seite. Beide Gruppen leiden unter dem Terror. Zu Beginn des Krieges dachten manche, es sei ein religiöser Konflikt. Aber es geht nicht um Religion. Die Rebellen im Norden wollten die Unabhängigkeit und haben die Krise in Libyen genutzt, um sich Unterstützung für ihren Kampf zu holen. So kamen die Dschihadisten ins Land, Kämpfer von El Kaida und anderen Gruppen. Das ist die Ursache aller Probleme.

Was wurde aus diesen ausländischen Kämpfern?
Sie wurden glücklicherweise zurückgedrängt. Manche sind tot, andere mussten fliehen: nach Mauretanien, Algerien oder anderswohin. Aber nach wie vor befinden sich auch noch viele mitten unter uns. Auch unter unseren Landsleuten haben sie Anhänger gefunden. Daher kommt es immer noch zu Anschlägen.

Man hört auch von Spaltungen unter den Islamisten.
Es gibt zwei Gruppen: die einen kämpfen weiterhin für die Unabhängigkeit des Nordens und wollen dort einen islamistischen Staat errichten. Die anderen wollen, dass ganz Mali muslimisch wird. Übrigens vertragen sich beide Gruppen untereinander nicht.

Gibt es noch Christen in Nordmali?
Weihnachten und Ostern wurden etwa 200 Gläubige gezählt. Die wenigen Christen, die noch übrig sind, sind Ausländer, vor allem natürlich Soldaten. Auch einige Verwaltungsangestellte und Lehrer harren noch aus – sie können nirgendwo anders hin, sonst verlieren sie ihren Lebensunterhalt.

Wegen der prekären Sicherheitslage gibt es in Nordmali seit 2012 kein Pfarrhaus und keine betreute Kirche mehr. Wie ist die Situation?
Die Lage ist sehr schwer. Die ganze pastorale Arbeit steht still. Es gibt einen einzigen Priester, der gelegentlich zur heiligen Messe nach Nordmali kommt. Er fliegt unter militärischem Schutz dort hin. Er kann unmöglich vor Ort bleiben, wir dürfen ihn nicht verlieren. Im Norden gehen die Menschen am Morgen aus dem Haus, aber niemand weiß, ob sie am Abend ihre Familie wiedersehen. Das Land ist außer Kontrolle. Ob Christ oder Moslem – es kann jeden treffen. Aber wir müssen weiter hoffen und zum Frieden einladen.

Während es in Nordmali kaum noch kirchliches Leben gibt, scheinen die Gemeinden in den anderen Landesteilen zu blühen. Wie ist die Lage in Ihrer Diözese Mopti?
Wir verzeichnen eine beträchtliche Zunahme der Gläubigen. 2012 hatten wir 600 bis 700 Taufen. Vergangenes Jahr waren es über 1400!

Wie lässt sich dieses Wachstum erklären?
Wenn die Menschen sehen, wie wir Christen leben und was wir für andere tun, dann sagen sie sich: „Es sind zwar nicht viele, aber was sie machen, ist beeindruckend.“ Und dann sind sie neugierig und wollen den Glauben kennenlernen.
Die meisten Konversionen haben wir aus den Naturreligionen zum Katholizismus. Eines Tages hat zum Beispiel eine Pfarrei den Einwohnern eines Dorfes geholfen, Brunnen zu bauen. Als es den Leuten bewusst wurde, dass es Christen sind, die hier helfen, ist der Dorfälteste mit seiner zehnköpfigen Familie zum katholischen Glauben konvertiert.

Steigt auch die Zahl der Berufungen?
Zu meiner Heimatdiözese gehören heute 30 Priester. Wenn alles gut geht, bekommen wir dieses Jahr vier Neupriester. Wir haben acht Seminaristen. Aber es gibt immer noch Gebiete, in denen nur vier Priester über 250 Kirchen und Gottesdienst-Stationen betreuen.
Sehr wichtig ist auch, dass Schwesternkongregationen sich bei uns ansiedeln. Sie spielen eine große Rolle bei der Unterstützung von Frauen, die bei uns so vielen Gefahren ausgesetzt sind. Die Klöster sind wichtige Anlaufstellen.

Gibt es neben der Sorge um den Priester- und Ordensnachwuchs noch andere Nöte?
Wir haben große materielle Sorgen. In der Diözese Mopti haben wir insgesamt sieben Pfarreien. Vor kurzem haben wir eine neue Gemeinde gegründet, aber dort ist noch kein Pfarrbüro eingerichtet.
In manchen Dörfern gibt es vier oder mehr prächtige Moscheen, aber wir Katholiken feiern unsere Gottesdienste in einem Schuppen. Deshalb bitten wir unsere Glaubensgeschwister um Hilfe!

Was ist die größte Herausforderung für die Kirche in Mali?
Unsere Aufgabe ist die Versöhnung. Viele Christen haben im Krieg ihre Angehörigen verloren. Viele Muslime auch. Es gab so viele Verschwörungen, bis hinein in die Familien! Die Menschen müssen lernen, sich wirklich zu versöhnen. Wenn wir als christliche Minderheit anhaltend in Frieden mit unserer Umgebung leben wollen, müssen wir ein Beispiel der Versöhnung geben. Das ist unumgänglich.