„Ein dämonischer Konflikt“



syrien

Nach seinem Syrienbesuch berichtet der Nahost-Referent von „Kirche in Not“ von der Angst, aber auch der Hoffnung der Christen. Angst, aber auch Hoffnung prägen derzeit die christliche Gemeinschaft in Syrien: Das betont Andrzej Halemba, Nahostreferent des katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“, jetzt nach seiner Rückkehr aus Syrien. „Ich war im Januar bereits bei unseren Projektpartnern vor Ort. Bei meinem jüngsten Besuch habe ich aber eine deutliche Veränderung der Stimmung bemerkt. Die schlechten Nachrichten häuften sich seither. Die jüngsten Eroberungen der Rebellen in Idlib und andernorts bedrücken die Christen vor allem in Aleppo. Sie haben Angst und glauben, dass ihrer Stadt noch mehr Gewalt bevorsteht. Aleppos christliche Viertel wurden ja schon im April von den Rebellen heftig attackiert. Die Moral der Menschen ist völlig erschüttert“, so Halemba, der sich Ende Mai zu einem mehrtägigen Projektbesuch in verschiedenen Orten Syriens aufhielt. „Hinzukommt, dass der Libanon Anfang des Jahres seine Grenzen für syrische Flüchtlinge quasi dicht gemacht hat. Das betrifft besonders die Christen, die es in anderen Ländern der Region schwer haben. Sie sind bevorzugt in den Libanon geflüchtet. Sie haben jetzt das Gefühl, dass sie in der Falle sitzen.“ 

In anderen Gebieten aber, so Halemba, sei er auch hoffnungsvoll gestimmten Christen begegnet. „In Maaloula, aber auch Yabroud oder Homs gibt es einen echten Aufbauwillen. Die Menschen kehren in ihre von der syrischen Regierung befreiten Orte zurück und bauen ihre zerstörten Häuser und Kirchen wieder auf. Schulen werden wieder eröffnet wie zum Beisiel die melkitische Schule in Yabroud. Es gibt trotz der Jahre des Krieges noch soviel Energie und Potenzial. Das hat mich selbst in meiner Arbeit bestärkt und ermutigt. Wir von „Kirche in Not“ müssen die Christen gerade in der Restaurierung ihrer Kirchen unterstützen. Die renovierten Gotteshäuser sind wie ein Leuchtturm. Das gibt den Menschen Hoffnung und vermittelt das Gefühl von Normalität.“ „Kirche in Not“ unterstütze auch pastorale Projekte wie etwa Katechismusunterricht für Kinder und Jugendliche, so Halemba weiter. „Wir Katholiken müssen unseren Glauben kennen. Dadurch gewinnen wir Stärke auch in schweren Zeiten.“
 

Halemba betonte, dass der Großteil der von „Kirche in Not“ bereitgestellten Hilfen indes für Nothilfe verwendet werde. „Seit Beginn des Jahres haben wir etwa zwei Millionen Euro Hilfen gewährt. Entscheidend für uns ist, den Christen zu helfen, dass sie in Syrien bleiben können. Die Wohlhabenden sind nämlich bereits gegangen. Geblieben sind die Armen. Sie haben keine oder kleine Gehälter. Die Preise aber sind hoch. Die Menschen sind deswegen auf die Unterstützung durch die Kirche angewiesen“, so Halemba. „Kirche in Not“, so Halemba, helfe den Betroffenen durch die kirchlichen Partner vor Ort mit Miethilfen, Nahrung und Hygieneartikeln. „Die Priester gehen zu den Leuten und nicht umgekehrt. Das konnte ich gut in Marmarita beobachten. In der christlichen Stadt haben viele Christen aus Aleppo Zuflucht gefunden. Sie ist zum Bersten voll. Die Mieten sind in die Höhe geschossen. Die Not der Flüchtlinge wird leider oft ausgenutzt. Es ist ermutigend zu sehen, wie dankbar die Menschen dafür sind. „

Die Probleme in Syrien seien insgesamt riesig, betont Halemba. „Bereits vier Millionen Menschen haben Syrien verlassen. Allein 15000 Ärzte gingen. Die Hälfte der Schulen ist geschlossen. Besonders Schwerkranke sind schlimm dran. Es gibt Berechnungen, dass durch fehlende Gesundheitsversorgung mehr Menschen in diesem Krieg gestorben sind als durch die Kämpfe. Manche Kirchenleute sprechen von über 350000 Toten infolge. Dem stehen über 220000 Kriegsopfer gegenüber. Am Schlimmsten aber war für mich zu hören, dass in dem Konflikt mehr Kinder als Frauen getötet wurden. Den Eltern sollte so häufig ganz bewusst jede Hoffnung genommen werden. Das zeigt, wie dämonisch dieser Konflikt ist.“