Eine Diskussion über die Verfolgung von Christen in Pakistan und Nigeria.
Andreas Peter : Sie hören Kontrafunk aktuell. Jahrhundertelang gab es keinerlei Zweifel daran, dass das Christentum die mit Abstand dominierende Weltreligion ist. Und das gab auch Zeiten, da sind im Namen des Christentums Menschen verfolgt worden, weil sie einem anderen Gott huldigten. Inzwischen sind aber auch Christen eine bedrohte Spezies und werden in Teilen dieser Welt wegen ihres Glaubens verfolgt und drangsaliert. Weltweit gelten rund 340 000 000 Menschen christlichen Glaubens als verfolgt. Und darüber wollen wir jetzt reden. Mit Herbert Rechberger, Nationaldirektor im Päpstlichen Hilfswerk Kirche in Not Österreich. Herzlich Willkommen, Herr Rechberger.
Herbert Rechberger: Ein herzliches Grüß Gott allen Radio Hörerinnen und Hörern von Radio Kontrafunk, herzliches Grüß Gott aus Wien.
Andreas Peter: Danke zurück. Herr Rechberger, es gibt ziemlich klare Ergebnisse, wenn man nach Christenverfolgung heute im Internet sucht, dann werden vor allem Afrika und dort vor allem Nigeria, das ist das bevölkerungsreichste Land des Kontinents, genannt. Nigeria ist aber auch das afrikanische Land mit der größten islamischen Gemeinde. Ist Christenverfolgung heute vor allem ein Konflikt zwischen den beiden großen Weltreligionen?
Herbert Rechberger: Zuerst muss man sicher mal sagen, dass das wirklich tatsächlich ist so ist, wie sie vorhin eingangs gesagt haben, dass das Christentum wirklich die am meist verfolgte Religion derzeit weltweit ist. Und das schon seit vielen Jahren. Also das ist jetzt nicht etwas Neues, aber natürlich in der letzten Zeit wird dieses Thema auch öffentlich auch in den Medien ein bisschen mehr angesprochen als vorher, aber ich kann mich erinnern, wenn ich so meine Vorträge zu dem Thema Christenverfolgung halte, dann sind viele der Meinung, ich spreche über Nero oder über Diokletian. Aber es geht um Christenverfolgung heute und da, wie sie richtig gesagt haben, ist gerade Afrika ist ein Hotspot, aber man muss gleich einmal vorwegschicken, es ist nicht nur rein eine Verfolgung praktisch von der muslimischen Seite her natürlich auch keine Frage, aber wir haben auch in anderen Ländern, in Indien zum Beispiel, wo es um hinduistische Nationalisten geht, die genauso auch die Christen und andere religiöse Minderheiten verfolgen. Jetzt nicht nur die Christen, aber natürlich, sie haben Nigeria angesprochen, Nigeria ist ein Hotspot, wobei wenn ich bei Nigeria bleiben darf: Sie wissen, es gibt dort über 200 Millionen Menschen und der Norden ist hauptsächlich muslimisch. Da gibt es ungefähr an die 48 – 49% Muslime und der Süden ist eigentlich immer noch christlich geprägt. Und trotzdem ist also gerade in Nigeria die Christenverfolgung extrem stark verbreitet, und das schon seit vielen Jahren.
Andreas Peter: Gibt es bei der Christenverfolgung in Nigeria – aber nicht nur dort – wir kommen auch gleich noch mal auf Pakistan zum Beispiel zu sprechen. Geht es bei der Christenverfolgung da vordergründig wirklich um den Glauben oder nicht manchmal auch um schlichtweg knappe Ressourcen?
Herbert Rechberger: Christenverfolgung hat bestimmt viele Gesichter ein Gesicht ist sicher dass es eine religiöse Verfolgung gibt wo es wirklich darum geht, das Christentum auszulöschen, aber es gibt auch ethnische Konflikte, wirtschaftliche Interessen, also man muss immer sehr vorsichtig sein, wenn irgendwo eine Verfolgung stattgefunden hat, ob das immer nur rein religiös motiviert ist, – auch natürlich – und wenn sie gerade Nigeria ansprechen, wir haben schon seit vielen Jahren das Problem mit der islamistischen Sekte Boko Haram in Nigeria. Boko Haram heißt ja übersetzt so viel wie „Westliche Bildung ist Sünde“. Und da steckt ja schon das ganze Programm drinnen. Und diese islamistische Sekte, die versucht ja seit vielen Jahren in Nigeria eben einen Islamischen Staat zu installieren, mit dem Schariarecht, und im Norden haben wir schon über 12 Bundesstaaten, wo das Schariarecht schon durchgesetzt wird, und das ist schon ein Problem. Das hat natürlich auch zu tun hat mit der religiösen Überzeugung. Erst kurz vor Weihnachten, das haben sie ja vielleicht gehört, wo die Fulani Hirten fast über 200 Christen getötet haben im Norden, da spielt natürlich nicht nur jetzt die Religion auch eine Rolle, sondern da geht es um wirtschaftliche Interessen. In dem Fall geht es ganz konkret damit auch, dass diese Fulani Hirten, das sind Viehhirten, das sind Nomaden, die vom Norden mit den Viehherden in den Süden gehen, weil halt im Norden schon wenig Weidegebiet ist. Und die nehmen aber dann keine Rücksicht darauf, dass im Süden, wo es schon Dörfer gibt, wo es Weideflächen und so weiter gibt, und wer sich dagegen stellt, der wird sozusagen ausgelöscht, und da kann man sagen, ja, es ist jetzt natürlich nicht rein eine Verfolgung, wenn es um Religion geht, aber schon auch, weil wir haben unlängst einen Bericht bekommen haben, wo ein uns bekannter Bischof gesagt hat, es war dann schon so, dass diese Dörfer, die da ausgerottet wurden, die Menschen, die getötet wurden, das waren ausschließlich Christen und andere, z.B. die Fulani Hirten und andere, auch ethnische Gruppen, die sind verschont geblieben. Es ist sicher nicht so, wie in irgendeiner Zeitschrift gestanden ist, dass dies bedingt durch den Klimawandel passiert ist. Also so, auf diesen einfachen Nenner, kann man das auf jeden Fall in Nigeria nicht bringen.
Andreas Peter: Ein anderer Aspekt, der mir da im Kopf rumschwebte bei der Vorbereitung ist, ist das ein Konflikt, der sich vor allem gegen die Christen römisch katholischen Glaubens richtet, oder ist ihnen auch bekannt, dem päpstlichen Hilfswerk Kirche in Not, dass Christen protestantischen Glaubens verfolgt werden, oder spielt das nur in Afrika oder in anderen Staaten eine Rolle? Also wir wollten uns ja hier im Gespräch jetzt auf Nigeria und Pakistan konzentrieren, spielt das dort eigentlich diese dominierende Rolle?
Herbert Rechberger: Also das Christentum hat in dem Fall, wie wir in Österreich sagen, kein Mascherl. Das heißt, da geht es um die römisch katholische Kirche genauso wie um die protestantische Kirche und auch um Freikirchen. Also wenn wir von Christenverfolgung sprechen, dann sprechen wir über alle Christen also nicht nur über die römisch-katholische Kirche. Natürlich sind unsere Kontakte vorerst mit der römisch katholischen Kirche in diesen Ländern, aber wir wissen auch aus anderen Quellen, dass andere christliche Gemeinschaften genauso unter dieser Verfolgung leiden, wie die Katholiken. Und wir machen auch bei unseren Publikationen, wir haben ja einige Publikationen zu dem Thema Christenverfolgung, wir machen auch da keinen Unterschied, es geht uns um die Christen.
Andreas Peter: Werfen wir mal den Blick nach Pakistan. Wenn man heute auf der Straße jemanden fragen würde. Wie schätzen Sie das ein? Gibt es in Pakistan überhaupt Christen? Ich weiß gar nicht, ob da nicht Menschen einen erstaunt angucken und fragen, das hätte ich mir überhaupt nicht vorgestellt, dass es dort auch Christen gibt. Pakistan ist inzwischen auch aufgefallen mit einer sehr rigiden Christenverfolgung. Ist das ein eher jüngeres Phänomen oder gibt es das dort auch schon seit Jahrzehnten?
Herbert Rechberger: In Pakistan – sie haben natürlich vollkommen recht – gibt es nicht viele Christen. Das sind nur ca. 2% und das ist natürlich sehr sehr gering. Es gibt ca. 97% sind Muslime, einige Buddhisten und Hindus. Aber knapp 2% sind tatsächlich auch Christen und die Verfolgung von diesen Christen hat sehr sehr zugenommen nicht nur von den Christen sondern generell eben auch von religiösen Minderheiten. In Pakistan ist wirklich das Hauptproblem das Thema des sogenannten Antiblasphemie – Gesetzes. Das bedeutet, wenn zum Beispiel der Prophet Mohammed oder der Koran geschändet oder schlecht gemacht wird, dass es dann massive Verfolgung gibt, auch wenn es nicht stimmt. In diesem Gesetz, das 1986 verabschiedet wurde, da sind vor allem auch 2 Absätze dieses pakistanischen Gesetzbuches zu verstehen. Da steht zum Beispiel im Artikel 295 B sieht für denjenigen, der den Koran verunglimpft die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Der Artikel 295 C die Todesstrafe für denjenigen, der den Propheten Mohammed beleidigt. Das Problem ist ja auch, dass dieses Antiblasphemiegesetz gerade für die Fundamentalisten oft ein gewaltiges Instrument zur Machtausübung darstellt. Und eben immer zu Lasten der Minderheiten und wird auch sehr häufig auch missbraucht, um auch persönliche Rache zu nehmen. Und da haben wir sehr, sehr viele Übergriffe, auch in den letzten Jahren wieder zu verzeichnen gehabt, leider.
Andreas Peter: Sie hatten es kurz angesprochen im Zusammenhang mit Boko Haram mit der Namensgeschichte dieses Begriffes. Sowohl Pakistan als auch Nigeria als Staaten haben ja viel mit europäischer Kolonialgeschichte zu tun. Also zumindest Pakistan hat es so in dem Fall nie gegeben, sondern das wurde am grünen Tisch quasi entschieden durch Großbritannien als Kolonialmacht, diesen Staat einfach so dort zu gründen. Inwieweit das mit Nigeria der Fall ist, bin ich jetzt nicht ganz im Bild, aber auch Afrika ist ja mehr oder weniger ein Kontinent gewesen, in dem vor allem Großbritannien und Frankreich herrschten und dann später, als sie die Kolonien aufgaben, auch eben einfach am grünen Tisch irgendwelche Staatengrenzen schufen. Ist die Christenverfolgung in diesen beiden Staaten aber eben natürlich nicht nur dort vielleicht auch eine späte Rache an den europäischen Kolonialmächten und damit an den westlichen Kolonialmächten, die ja vor allem christliche Mächte waren.
Herbert Rechberger: Es ist eines ist einmal ganz sicher, die Kolonialherrschaft in diesen verschiedenen Ländern haben nicht immer Gutes gebracht, das muss man ganz ehrlich sagen. Das muss man auch ganz offen auch ansprechen. Ich bin mir jetzt selber nicht so ganz sicher, ob das jetzt so gedacht ist, weil die Verfolgung von Christen hat auch viele andere Gründe, natürlich auch. Aber vielleicht haben sie schon recht, es wird vielleicht schon auch das eine oder andere ausschlaggebend sein, weil natürlich sehr viele Christentum gleichsetzen mit Westen, komplett mit dem Westen. Wir haben das seinerzeit einmal auch im Irak erlebt, wo auch die Christen verfolgt wurden, weil sie gesagt haben, eigentlich waren die Amerikaner unter Anführungszeichen schuld, und die haben gesagt, ja, Amerika, das ist das christlich, Europa ist christlich, und daher haben sie natürlich diese Gruppen sozusagen bekämpft, also es gibt sicher noch Nachwirkungen, da bin ich ganz bei Ihnen, das gibt es ganz bestimmt noch, aber es ist jetzt aus meiner Sicht nicht der einzige ausschlaggebende Moment, warum heute immer noch so viele Christen verfolgt, unterdrückt und bedrängt werden.
Andreas Peter: Was kann das Päpstliche Hilfswerk eigentlich tun? Kann es nur Symptome lindern, also akut helfen oder auch präventiv?
Herbert Rechberger: Präventiv zu helfen ist ein bisschen schwierig, weil in diesen Ländern natürlich kaum oder sehr wenig möglich ist. Was wir jetzt machen, ist zum Beispiel, wenn wir über Nigeria sprechen, es gibt verschiedene Zentren, sogenannte Traumata- Zentren für Kinder und Jugendliche, wo wir das auch mitfinanzieren. Zum Beispiel gibt ja so viele Mädchen, die entführt worden sind, zwangsverheiratet worden sind, missbraucht wurden, wirklich vergewaltigt wurden und für diese jungen Menschen braucht es einfach gute soziale Zentren, also Traumata- Zentren, und da versucht auch Kirche in Not ganz massiv, also wirklich auch mitzuhelfen und natürlich auch immer wieder auch diese Strukturen vor Ort aufrechtzuerhalten, wie z.B. durch Schulen. Weil gerade die Schulen sind in Pakistan – oder ich habe das selbst auch in Indien gesehen – einfach die christlichen Schulen nach wie vor die, die am besten funktionieren. Aber das wird auch wieder nicht von allen gern gesehen, weil es immer wieder diese extremistischen Fundamentalisten gibt, die einfach diese Sachen nicht zulassen wollen. Und gerade bei Schulen , bei christlichen Schulen ist es ja wirklich oft so, dass die wenigsten Kinder und Schüler dort Christen sind. Sondern sie sind aus anderen Religionen. Aber auch da gibt es immer wieder Übergriffe, da diese westliche Bildung sozusagen Einfluss nimmt und ihre Kinder introktriniert und daher versuchen wir eben durch verschiedene Maßnahmen, ob es jetzt im Pakistan oder auch in Nigeria oder auch in vielen anderen Ländern – Burkino Faso, das wäre genauso ein Thema auch. Ja, die ganze südliche Sahelzone, das ist ein großes Gebiet, wonach wie vor sehr viele Christen auch wirklich unter dieser Bedrohung leiden. Und wir versuchen als Kirche in Not ganz konkret vor Ort zu helfen. Das haben wir immer schon so gemacht, weil unsere Projektpartner vor Ort, das sind halt die Schwestern, das sind die Priester, das sind die Bischöfe, und mit denen haben wir direkt Kontakt und wir fragen, was braucht ihr jetzt ganz konkret und da versuchen wir dank der Hilfe unserer Wohltäter, die uns ja eigentlich da unterstützen und ohne die unsere Wohltäter könnten wir gar nichts machen Wir sind ja auch nur die Werkzeuge und da können wir eben helfen wo es geht und wir versuchen immer wieder direkt vor Ort den Menschen zu helfen.
Andreas Peter: Weltweit werden Millionen Menschen christlichen Glaubens verfolgt. Wir haben darüber mit Herbert Rechberger gesprochen, Nationaldirektor des Päpstlichen Hilfswerkes Kirche in Not in Österreich. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rechberger.
Herbert Rechberger: Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie dieses wirklich sehr heikle und auch nicht einfache Thema aufgegriffen haben und wünsche allen Hörerinnen und Hörern von Radio Kontrafunk noch ein gutes und gesegnetes neues Jahr.
Andreas Peter: Vielen Dank, Herr Rechberger