„Sie sind echte Märtyrer“



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Ägypten nach den Koptenmorden: Trauer und Optimismus prägen die Stimmung der Christen am Nil. Als Mitte Februar die Ermordung 21 koptisch-orthodoxer Ägypter durch Terroristen des islamischen Staats in Libyen bekannt wurde, war ganz Ägypten geschockt. Die Bilder der vor ihren schwarzvermummten Henkern in orangenen Anzügen knieenden Christen, das Blut der bestialisch Enthaupteten, das sich später mit den Wellen des Mittelmeeres mischte: All das hat sich tief in das kollektive Gedächtnis des Landes am Nil eingeprägt. Die koptisch-orthodoxe Kirche hat die 21 Ermordeten bereits als Märtyrer anerkannt und sie in den Heiligenkalender aufgenommen. Sehen Katholiken sie auch als Märtyrer an? „Ja, ohne weiteres“, meint Bischof Kyrillos William Samaan. Er ist koptisch-katholischer Bischof von Assiut in Oberägypten. „Das hat Papst Franziskus nach der Tat selbst gesagt. Er hat sie als Märtyrer anerkannt. Sie wurden getötet, weil sie Christen sind. Die Mörder waren auf der Suche nach Christen, die sie entführen konnten. Sie waren voller Glauben bis zum Schluss. Sie sind Jesus treu geblieben. Ihre letzten Worte waren Worte wie Herr Jesus, erbarme dich. Sie sind deshalb echte Märtyrer. Auch für uns Katholiken.“

Unmittelbar nach der Tat herrschten Trauer und Zorn vor, erinnert sich Bischof Kyrillos. „Die entschlossene Reaktion unseres Präsidenten und die Luftschläge gegen IS-Stellungen in Libyen haben die Menschen aber beruhigt. Uns Christen hat besonders der Kondolenzbesuch des Präsidenten beim koptisch-orthodoxen Papst Tawadros berührt.“ Es habe überhaupt, berichtet der Bischof weiter, viele schöne Zeichen der Solidarität gegeben. „Der Gouverneur der Provinz, aus denen die meisten Märtyrer stammen, hat den Bau einer großen Kirche zu ihrem Gedächtnis auf Staatskosten veranlasst. Außerdem wurde ihr Heimatort zu ihren Ehren umbenannt und heißt jetzt Dorf der Märtyrer. Der Premierminister hat den Ort besucht. Und den betroffenen Familien wurde eine Geldsumme zugesprochen. Das tröstet die Leute. Ägypten ist auf dem Weg der Erneuerung.“ Viele Christen, so der Bischof, berichten, wie ihnen Muslime ihre Anteilnahme für die Morde ausgedrückt hätten. Doch es gab auch hässliche Reaktionen. Ein salafistischer Scheich äußerte seine Zustimmung zu den Morden. Der Islamische Staat habe richtig gehandelt, die christlichen Schafe zu schlachten, war in ägyptischen Zeitungen zu lesen.

Doch solche Stimmen sind nicht repräsentativ, glaubt Bischof Kyrillos. „Ich würde sagen, die Morde haben Muslime und Christen enger zusammenrücken lassen. Es herrschte das Gefühl vor, dass Ägypter angegriffen worden seien. Das ist wichtig. Es zeigt, dass wir alle Ägypter sind unabhängig von unserer Religion.“ Diesen Ton habe Präsident Sisi bereits bei seinem Überraschungsbesuch in der koptisch-orthodoxen Kathedrale in Kairo anlässlich des orthodoxen Weihnachtsfestes angeschlagen. „Viele haben es sich gewünscht, aber niemand hat ernsthaft erwartet, dass das Staatsoberhaupt zu Weihnachten die koptische Kathedrale in Kairo aufsuchen würde. Präsident Sisi hat das gemacht. Er sprach von Herzen. Seine Botschaft war: Wir alle, Christen und Muslime, sind Ägypter. Punkt. Er betont sehr stark die Idee der gemeinsamen Staatsbürgerschaft. Die Menschen waren begeistert. Der Besuch war ein starkes Zeichen. Sie müssen sehen, vor welchem Hintergrund er stattfand. Es gibt nämlich viele radikale Muslime, die sagen, Muslime dürften Christen nicht zu ihren Festen gratulieren. Das sei gegen den Islam. Der Weihnachtsbesuch des Präsidenten war die Antwort auf diese Ideen. Ich würde sagen, es gibt eine Wende in der Geschichte der Christen Ägyptens.“ Danach habe es noch vor kurzer Zeit nicht ausgesehen, gibt der Bischof zu bedenken. „Während der Präsidentschaft Mursis dachten die Radikalen, sie hätten grünes Licht, gegen uns Christen vorzugehen.

Viele Christen fühlten sich fremd im eigenen Land. Die Radikalen meinten, wir sollten gehen. Wir hätten alle westliche Visa und sollten nach Australien oder Kanada auswandern.“ Der Höhepunkt der anti-christlichen Ausschreitungen war dann im August 2013 erreicht. Auch in Bischof Kyrillos Bistum zündeten radikale Moslems Kirchen und christliche Geschäfte an. Die Muslimbrüder wollten sich so an den Christen rächen, die sie für die Absetzung des aus der Muslimbruderschaft stammenden Präsidenten Mohammed Mursi verantwortlich machten. „Heute ist dieses Gefühl der Bedrohung weg. Wir blicken mit Sisi positiv in die Zukunft.“ Bischof Kyrillos ängstigt auch nicht ein mögliches Wiedererstarken der Islamisten bei den kommenden Parlamentswahlen. „Ich glaube, die Ägypter haben während der Herrschaft der Muslimbrüder sehr gut gesehen, wie und wohin sie das Land geführt haben. Die Muslimbrüder haben ihre eigenen Interessen vor die Interessen unseres Landes gestellt. Das sehen auch viele Muslime so, die die Muslimbrüder gewählt haben. Die Ägypter wollen das nicht noch einmal. Die Leute wissen, wen sie wählen wollen und wen nicht.“ Das sieht auch Jusef, ein junger katholischer Student aus Sohag, einer Stadt in Oberägypten, so. „Mit Präsident Sisi entwickeln sich die Dinge in eine gute Richtung. Wir haben Vertrauen zu ihm. Er hat den Islam aufgerufen, sich zu reformieren. Das sind gute Ansätze. Aber natürlich, ein Mann alleine kann auch nicht die Mentalität eines ganzen Landes über Nacht ändern. Da mache ich mir nichts vor. Wir brauchen Geduld.“