Verfolgung von Christen eskaliert
Indiens Christen litten im vergangenen Jahr unter einer alarmierenden Eskalation von Gewalt, Hass und systematischer Unterdrückung, so die Religious Liberty Commission der Evangelical Fellowship of India (EFI-RLC).
Die 601 Fälle von Christenverfolgung in Indien im Jahr 2023 bedeuteten einen Anstieg um 45 Prozent gegenüber den 413 Fällen, die im Vorjahr verzeichnet wurden, so der Jahresbericht der EFI-RLC.
Während kein Gebiet Indiens unberührt blieb, kristallisierten sich mehrere als Brennpunkte heraus. Der Bundesstaat Uttar Pradesh war mit 275 Vorfällen (gegenüber 147 im Vorjahr) weiterhin das feindseligste Umfeld. In Chhattisgarh gab es 132 Fälle – gegenüber dem Vorjahr (141) ein Rückgang. In Haryana waren 44 Vorfälle zu verzeichnen gegenüber 22 im Vorjahr.
„Die sich rapide verschlechternde Situation für religiöse Minderheiten ist sehr besorgniserregend“, sagte EFI-Generalsekretär Pastor Vijayesh Lal gegenüber Morning Star News. „Christen, insbesondere Pastoren in ländlichen Gebieten, waren im vergangenen Jahr Angriffen, gestörten Gebeten und beschädigten Gotteshäusern ausgesetzt.“
Auch die Daten des United Christian Forum (UCF) zeigen, dass die Verfolgung auch 2024 unvermindert anhält. Das UCF dokumentierte vom 1. Jänner bis zum 15. März weitere 161 Vorfälle von Gewalt gegen Christen, darunter 70 Fälle im Januar, 62 im Februar und 29 allein in der ersten Märzhälfte.
In den ersten drei Monaten des Jahres 2024 wurden Christen in 19 indischen Bundesstaaten wegen der Ausübung ihres Glaubens „mit dem Leben bedroht“, so die UCF. Chhattisgarh wurde als extremer Hotspot identifiziert, mit 47 der 161 jüngsten Vorfälle, dem höchsten Wert aller Bundesstaaten. Uttar Pradesh folgte mit 36 Fällen.
Die UCF beleuchtete auch das, was sie als „staatlich geförderte Angriffe“ auf Christen bezeichnete, und verurteilte die Praxis, gegen Pastoren, die an Routineveranstaltungen wie Geburtstagsfeiern teilnehmen, falsche Anschuldigungen wegen illegaler Konversionen – „gewaltsam“ oder „betrügerisch“ – zu erheben. Allein in den ersten Monaten dieses Jahres wurden mehr als 30 solcher Fälle registriert, in denen Pastoren aufgrund der umstrittenen Anti-Konversionsgesetze von Uttar Pradesh verhaftet oder inhaftiert wurden.
Die UCF berichtet, dass seit dem 1. Januar in verschiedenen Bundesstaaten 122 Christen verhaftet oder wegen angeblicher „Zwangsbekehrungen“ angeklagt wurden. In dem Bericht heißt es, dass diese „erfundenen Fälle“ darauf abzielen, die christliche Minderheit zu verfolgen.
Der EFI-RLC-Bericht gibt zu bedenken, dass seine Daten wahrscheinlich nur „an der Oberfläche kratzen“, da die Furcht vor Repressalien und die Gleichgültigkeit der Polizei gegenüber Fällen, die religiöse Minderheiten betreffen, weit verbreitet ist und zu wenig berichtet wird.
Gefährdete Gruppen wie Dalits, Adivasi aus den Stammesgebieten und christliche Frauen seien durch den sich doppelten Druck von religiöser Verfolgung und bereits bestehender gesellschaftlicher Diskriminierung stark bedroht, so der Bericht. Zum Beispiel wurden Stammes-Christen Beerdigungen nach ihren Ritualen verweigert und ihnen mit mit gewaltsamen Einäscherungen gedroht, um sie „zum Hinduismus zurückzuführen“.
In mehreren Fällen kam es zu schwerer physischer Gewalt wie Schlägen mit Eisenstangen und Angriffe des Mobs auf Gottesdienste. In einem Fall in Jharkhand störten bewaffnete Extremisten eine Kirchenversammlung, griffen zwei Frauen an und ermutigten andere, sie sexuell zu missbrauchen.
Christliche Interessengruppen argumentieren, dass ein Großteil der jüngsten Gewalt durch das Wiederaufleben der extremistischen hindunationalistischen Ideologie (Hindutva) angeheizt wird, die seit dem Machtantritt der BJP unter Premierminister Narendra Modi einen neuen Aufschwung erlebt hat. Mit Unterstützung von Randgruppen haben hindu-nationalistische Hardliner für weitreichende „Anti-Konversions“-Gesetze in allen Bundesstaaten geworben, indem sie Christen und Muslime fälschlicherweise beschuldigten, mit Verlockungen zu missionieren und Zwangsbekehrungen vorzunehmen.
„Das falsche Narrativ der Zwangskonvertierung wird immer wieder ausgenutzt, um schreckliche Gewalttaten, Einschüchterungen und Schikanen gegen unsere Gemeinschaft zu rechtfertigen“, sagte Lal und erklärte, dass hindunationalistische Elemente das Thema als „bequemen Vorwand nutzen, um gezielte Aggressionen zu entfesseln“.
Die Ergebnisse unterstreichen die große Besorgnis über die zunehmende Intoleranz gegenüber den schätzungsweise 28 Millionen Christen in Indien, die etwa 2 Prozent der 1,4 Milliarden Einwohner ausmachen, während sich das Land auf die allgemeinen Wahlen im Jahr 2024 vorbereitet.
Angesichts der bevorstehenden Wahlen vom 9. April bis zum 4. Juni, bei denen die BJP eine dritte Amtszeit anstrebt, haben christliche Führungspersönlichkeiten und Menschenrechtsaktivisten eindringlich auf die sich verschlechternden Bedingungen für religiöse Minderheiten aufmerksam gemacht. Sie warnen davor, dass eine unkontrollierte Verfolgung nicht nur Indiens internationales Ansehen beeinträchtigen, sondern auch die säkularen und pluralistischen Grundprinzipien des Landes untergraben könnte.