„Wo sollen wir hin? Es ist unser zuhause“



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Israels Mauerbau im Cremisantal: Die Hoffnung der Christen von Beit Dschalla ist wieder ein wenig kleiner geworden. Die Hoffnung der Christen von Beit Dschalla (Beit Jalla), einer Nachbarstadt Bethlehems, ist wieder ein wenig kleiner geworden. Israels Oberstes Gericht wies jetzt die jüngsten Petitionen ihrer Anwälte zurück. Damit sollte erreicht werden, dass die israelische Armee den exakten Verlauf der Sperrmauer im zu Beit Dschalla gehörenden Cremisantal vor Baubeginn offenlegen muss. Die Kläger, christliche Familien und katholische Ordensleute, wollten so verhindern, dass die Armee in dem landwirtschaftlichen Gebiet Fakten schafft, gegen die dann kein Einspruch mehr möglich ist. Die Möglichkeit des Einspruchs bekräftigten die Richter jetzt zwar. Mit der Zurückweisung der Petition können die Arbeiten an dem Verbindungsstück, das eine Lücke in der Trennmauer zwischen Israel und Palästina schließen soll, aber weitergehen.

“Dass die Petition abgelehnt wurde, hat das Vertrauen der Menschen in die Gerechtigkeit geschwächt und wird manche Leute dazu bewegen, ihr Land zu verkaufen und zu gehen“, (This dismissal has weakened their trust in the justice and will motivate some people to sell and leave) meint Weihbischof William Shomali im Gespräch mit dem Hilfswerk „Kirche in Not“. Im Lateinischen Patriachat von Jerusalem ist er für die palästinensischen Gebiete zuständig. „Die Menschen sind sehr frustriert und bedrückt. Das Versprechen, den Besitzern vollen Zugang zu ihrem Land zu erlauben, ist nicht genug. Es bedeutet, dass die Besitzer ihr Land nutzen können, um Früchte und Oliven anzubauen. Aber sie können kein Haus darauf bauen. Und der Zugang selbst könnte in der Zukunft verweigert werden. Schließlich wird das Land, das dann hinter der Mauer liegt, zu Jerusalem gehören. Und um dorthin zu gehen, braucht man eine Erlaubnis. Und die kann verweigert werden“, gibt der Bischof zu bedenken.

(People feel very frustrated and depressed. As for the promise to allow owners to have full access to their land, it is not enough. It means the owners can use their land to plant grapes and olives but not to construct a home. The access itself may denied in the future, since the land behind the wall will be part of Jerusalem. Going there needs a permit and permits can be denied.)

Seit 2006 schleppt sich der Rechtsstreit zwischen den christlichen Landbesitzern und der israelischen Armee bereits dahin. Aufmerksam wurde der Prozess von den Medien, aber auch in Israel stationierten Diplomaten aus aller Welt verfolgt. Auch Papst Franziskus setzte sich ein. Kleinen Erfolgen folgte aber schließlich im vergangenen Jahr die Ernüchterung. Israels Oberstes Gericht gab in letzter Instanz bekannt, dass die Armee bauen dürfe – auf palästinensischem Boden. 58 christliche Familien werden so über kurz oder lang ihr Land an die Mauer verlieren oder nur noch eingeschränkten Zugang dazu haben. Israel gibt Sicherheitsgründe und Terrorabwehr für die geplante Route an, spricht von einer zeitlich begrenzen Maßnahme. Die Palästinenser sehen im Mauerverlauf aber einen staatlich organisierten Landraub. Sie sprechen von der „Annexionsmauer“. Tatsächlich wurde die sich über 700 Kilometer schlängelnde Sperranlage zwischen Israel und den Palästinensergebieten schon bisher zu etwa achtzig Prozent auf palästinensischem Land und nicht auf der israelischen Grenzlinie gebaut.

Im August vergangenen Jahre rückten die Bagger in dem Tal an. Uralte Olivenbäum wurden bereits ausgerissen. Schon wächst die betongraue Mauer aus dem Boden. „Ich habe bisher fünfzehn Olivenbäume wegen der Mauer verloren. Sie waren viele hundert Jahre alt. Mir blutet das Herz“, sagt Herr Nahmi. „Und sie werden uns noch mehr nehmen.“ Der alte Herr, ein orthodoxer Christ aus Beit Dschalla, ist vom begonnenen Mauerbau direkt betroffen. Von den landwirtschaftlichen Toren in der Mauer, die die Armee den Bauern einrichten will, hält er nichts. „Das hat bisher schon nicht funktioniert. Aus irgendwelchen Sicherheitsgründen werden die Leute dann am Zugang gehindert. Ganz abgesehen davon, ob es ihnen erlaubt wird, schweres landwirtschaftliches Gerät und Arbeiter in die dann auf der israelischen Seite liegenden Felder mitzunehmen. Faktisch ist unser Land verloren. Die Israelis wenden ja noch immer das osmanische Recht an, wonach privates Land in den Staatsbesitz fällt, wenn es zehn Jahre lang nicht bebaut wird.“ Sein Neffe Xavier stimmt ihm zu. Der in Chile geborene Palästinenser hat sich ganz bewusst entschieden, in die Heimat seiner Vorfahren zurückzukommen. Der junge Katholik meint: „Wir haben vier Jahre lang jeden Freitag in den Olivenhainen die Messe gefeiert und gebetet, damit uns das erspart bleibt, was jetzt geschieht. Ich habe unseren Kritikern gesagt, dass sich Gebet und gewaltfreier Widerstand auszahlen. Aber was kann ich ihnen jetzt sagen?“

Auch Frau Ilham ist eine Betroffene der geplanten Mauer. „Es ist sehr schwer für uns. Eine Katastrophe“, sagt die Lehrerin aus Beit Dschalla. „Das Land gehört uns seit Generationen. Es geht ja nicht nur um die Früchte, die wir dort anbauen. Es geht um unsere Geschichte, unsere Verbindung zu unserer Heimat, die uns genommen wird.“ Die siebzigjährige Dame versteht, wenn junge Menschen aus Beit Dschalla die Emigration erwägen. „Aber wo sollen wir hin? Wir sind doch hier zu Hause. Überall anders sind wir Fremde.“