Zwischen Hoffnung und Angst
Syrische Christen versuchen, ihr Leben neu aufzubauen – Doch Krieg und Gewalt sind nie weit. Bunte Farben im Grau der Zerstörung: Kinder und Jugendliche haben jetzt eine der Straßen in der vom Krieg heimgesuchten Altstadt von Homs bemalt. An Hauswänden brachten sie in leuchtenden Farben zum Ausdruck, was sie bewegt und worauf sie hoffen. „Hoffnung und Freude sollen so wieder in unsere Stadt einkehren“, erklärt Pfarrer Lukas Awad von der syrisch-orthodoxen Kirche. „Jugendliche unserer Pfarrei hatten die Idee. Sie haben dazu Kinder aus ganz Homs eingeladen. Sie wollten den Kleinen eine Freude machen und die Eltern ermutigen, wieder in die Altstadt zurückzukehren.“
Homs hatte vor dem Ausbruch des syrischen Krieges eine große christliche Gemeinde. Besonders in der Altstadt mit ihren Kirchen lebten viele Christen. Bis ins 1. Jahrhundert reicht die christliche Präsenz hier zurück. Die berühmte Kirche der Jungfrau Maria vom Heiligen Gürtel soll ihre Ursprünge sogar auf das Jahr 50 nach Christus zurückführen können. Doch im Februar 2012 erreichte der immer brutaler werdende syrische Krieg auch das strategisch wichtig gelegene Homs. Die Christen flohen aus der Altstadt. Nur einige wenige blieben, nachdem Rebellengruppen das Gebiet erobert hatten. Die Mehrheit suchte Zuflucht in anderen Teilen der Stadt oder verließ die Gegend ganz. Mitte 2014 dann brachten Regierungstruppen auch die Altstadt wieder unter ihre Kontrolle. Doch die Zerstörung ist noch immer unübersehbar.
„Absicht der Jugendlichen war es, die Christen zu ermutigen, trotz der Zerstörung wieder in ihre Häuser in der Altstadt zurückzukehren“, erklärt Pfarrer Lukas. „Und sie haben Erfolg damit. Nach diesem Projekt kamen viele zurück, besonders in die bemalte Straße.“ Dutzende Familien hätten sich seither von der Initiative inspirieren lassen, berichtet der Priester weiter. „Und jeden Tag kommen ein, zwei neue dazu.“ Manche Familien hätten Bilder des Projekts im Fernsehen gesehen und sich danach für ihre alte Heimat entschieden. „Das Gebiet ist schließlich sicher“, gibt Pfarrer Lukas zu bedenken. „Auch die Infrastruktur funktioniert, einigermaßen wenigstens. Drei Stunden haben wir Strom, dann wieder keinen. Aber das geht schon. Das Hauptproblem sind die großen Zerstörungen der Häuser und der Mangel an Arbeit. Außerdem ist alles furchtbar teuer, auch Baumaterial. Wir als Kirche tun aber, was wir können. Besonders die Reparatur der Wohnungen hat Priorität für uns.“
Doch trotz der Fortschritte: Zu Ende sind der Krieg und seine Gefahren nicht. Daran wurden die Menschen in Homs erinnert, als die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ den Ort Palmyra eroberte. Oder als der katholische Priester Jacques Mourad Ende Mai entführt wurde. „Als Palmyra erobert wurde, flohen alle Christen aus dem Ort. Und nach der Entführung von Pater Jacques sind Christen aus Qaryatayn weggegangen. Sie alle haben Angst vor dem IS. Und auch die Menschen hier in Homs werden von dieser Angst erfasst. Sie fürchten, dass der Krieg zurückkehrt.“ Eine Familie habe deshalb ihre Rückkehr in die Altstadt von Homs verschoben. Sie will erst abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Doch Pfarrer Lukas verzagt nicht. „Als Christen haben wir Vertrauen in Gott. Wir müssen zuversichtlich sein trotz des Leids. Denn unser Herr Jesus Christus hat gesagt: Fürchtet euch nicht, ich bin alle Tage bei euch.“ Die Menschen würden viel beten, berichtet Pfarrer Lukas. Und die Tatsache, dass Bischöfe, Priester und Ordensleute auch in den schlimmsten Zeiten nie von der Seite ihrer Gemeinden gewichen sind, hat das Vertrauen in die Kirche gestärkt. „Wir als Kirche tun alles, was wir können, um unsere Gläubigen geistlich, aber auch materiell zu stärken.“
Um die Menschen weiter zu ermutigen, hat Pfarrer Lukas jetzt ein Projekt für einen Kinderspielplatz auf den Weg gebracht. Im Juli soll es eröffnet werden. „Kirche in Not“ unterstützt ihn dabei. „Ohne die Wohltäter könnten wir nicht vollbringen. Wir danken ihnen von Herzen. Sie können versichert sein, dass wir für sie beten. Möge ihnen der Herr ihre Großzügigkeit reich vergelten.“
So wie in Homs fassen auch die Christen von Maalula neuen Mut. „Immer mehr Menschen kommen nach Maalula zurück. Dafür sind wir sehr dankbar“, berichtet Pfarrer Toufic Eid von der griechisch-katholischen Kirche. Vierzig bis fünfzig Prozent der Menschen sind bislang wieder nach Maalula zurückgekehrt. Sie waren vor dem Krieg in andere Orte Syriens geflohen oder hatten sich gleich im Nachbarland Libanon in Sicherheit gebracht. Maalula: Das ist ältester christlicher Boden. In dem Ort nördlich von Damaskus wird noch immer Aramäisch, die Sprache Jesu gesprochen. Zahlreiche Kirchen und Klöster präge das Ortsbild. Im September 2013 aber wurde Maalula von Rebellen erobert. „Das waren Dschihadisten. Die Menschen flohen vor ihnen. Sie haben sofort drei junge Männer ermordet und sie zu Märtyrern gemacht. Auch unsere Kirchen haben sie verwüstet. Ikonen wurden von ihnen zerstört. Teilweise haben sie Einschusslöcher. An anderen man kann sehen, wie sie mit Werkzeugen zerstört wurden.“ Der Christenhass richtete sich auch gegen die hoch über dem Ort thronende Statue der Jungfrau Maria. Sie wurde von den Dschihadisten kurzerhand in die Luft gesprengt.
Nachdem die Rebellen im April 2014 aber von der Regierungsarmee aus dem Ort vertrieben worden waren, begannen die Wiederaubauarbeiten. Symbole sind dabei wichtig. So wurde Mitte Juni eine neue Statue Marias anstelle der zerstörten aufgestellt. „Das gibt dem Menschen viel Hoffnung. Die Figur ist schließlich das Wahrzeichen unserer Stadt.“ Kürzlich kehrten auch die Glocken zurück, die die Dschihadisten entwendet hatten. Sie waren im Libanon entdeckt worden. „Leider sind die Glockenstühle beschädigt. Man kann nicht alle der zurückgebrachten Glocken derzeit nutzen. Aber es tut den Menschen gut zu wissen, dass sie wieder da sind.“ Auch um die beschädigten Kirchen kümmert man sich. „In unserer Georgskirche ist die Ikonenwand ganz verbrannt. Wir haben die wichtigsten Reparaturen in der Kirche durchgeführt. Für neue Ikonen oder die Restaurierung alter fehlt uns aber das Geld. Entscheidend ist jetzt vor allem, den Menschen wieder Wohnraum zu geben. Die Sicherheitslage ist gut. Auch die Infrastruktur. Entscheidend ist das Wohnproblem. Die meisten Häuser in unserem Ort wurden entweder beschädigt oder ganz zerstört. Wenn wir wollen, dass die Menschen zurückkommen, müssen wir hier ansetzen. Die Menschen hängen an ihrer Heimat. Das gibt ihnen viel Energie.“
Doch trotz des Elans, der sich im Wiederaufbau ausdrückt, ist das Grundproblem nicht gelöst. „Wenn wir zur Zeit auch sicher sind, so wissen wir, dass sich das stets ändern kann“, so der Priester. „Auch jetzt muss man durch gefährliche Gebiete fahren, will man nach Damaskus.“ Pfarrer Toufic gibt sich deshalb realistisch. „Ich verspreche den Menschen nichts, was ich nicht halten kann. Ich sage denen, die zurückkommen und bleiben wollen, dass sie bereit sein müssen, mit Jesus das Kreuz zu tragen. Aber wichtig ist, dass wir als Kirche nicht nur reden, sondern den Menschen helfen und bei ihnen sind. Das ist das Wichtigste. Der Rest ist in Gottes Hand.