„Es war in Aleppo nie schlimmer als jetzt“



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Ein Franziskanerpater berichtet aus der umkämpften Stadt. Mit eindringlichen Worten hat Franziskanerpater Ibrahim Alsabagh an Christen in aller Welt appelliert, für die hart umkämpfte syrische Stadt Aleppo zu beten. „Es war seit Beginn dieses schrecklichen Krieges nie schlimmer als jetzt. Mir fehlen die Worte, alles Leid zu beschreiben, das ich täglich sehe“, so der Ordensmann aus Aleppo am Dienstag gegenüber dem internationalen Hilfswerk „Kirche in Not“. „Es gehen Raketen und Bomben auf Kirchen, Moscheen, Schulen und Krankenhäuser nieder. Bei einem Angriff auf unser Krankenhaus wurden jetzt 17 Menschen getötet. Und die Zahl kann noch steigen.

Zahllose Häuser sind ganz oder teilweise zerstört. So viele Menschen wurden getötet oder schwer verletzt. Und wenn keine Bomben fallen, herrscht eine unheimliche Ruhe wie auf einem Friedhof. Die Straßen sind wie ausgestorben.“ Das Osterfest der orthodoxen Christen am vergangenen Sonntag sei sehr traurig gewesen, so der katholische Priester weiter. „Es war mehr Karfreitag als Ostersonntag. Es haben zwar Gottesdienste stattgefunden, aber sie waren sehr schlecht besucht. Die Menschen haben ihre Toten beerdigt oder sind aus Angst zuhause geblieben. Es war bedrückend. Wann wird die Weltgemeinschaft endlich aufwachen und diesem neuen Sarajewo ein Ende machen?“

Pater Ibrahim wirkt seit bald zwei Jahren in der zwischen syrischer Regierung und Rebellen geteilten und heftig umkämpften Stadt im Norden Syriens. „Wer fliehen kann, der flieht. Am Sonntag waren die Ausfahrtsstraßen voll mit Flüchtlingen. Diejenigen, die geblieben sind, sind die Ärmsten, die es sich nicht einmal leisten können, sich in Sicherheit zu bringen. Wir helfen, wo und wie wir können. Teilweise leben die Menschen in halbzerstörten Häusern. Wir unterstützen Reparaturen und helfen ihnen dank der Hilfe von „Kirche in Not“ mit Nahrung, Kleidung, Medizin, Hygieneartikeln und anderen Dingen. Aber wir brauchen jetzt wirklich von außen jede Hilfe, die wir bekommen können. Wir sind in höchster Not.“ Pater Ibrahim beobachtet vermehrt psychische Belastungen der Menschen. „Die Nervenzusammenbrüche nehmen zu. Wir haben auch so viele psychische Erkrankungen infolge des Krieges. Es ist ein solches Elend. Ich danke Gott aber dafür, dass ich durch seine Gnade zum guten Samariter für all diese leidenden Menschen werden darf. Ich versuche sie durch das Wort Gottes, aber auch durch Taten leiblicher Barmherzigkeit zu trösten. Mir sind immer die Worte von Papst Franziskus im Ohr, den Menschen Gottes Zärtlichkeit zu zeigen. Wir Priester und Ordensleute sind wirklich zu Vätern, aber noch mehr zu Müttern der Menschen geworden, die ihre Wunden zärtlich wie eine Mutter zu verbinden suchen.“

Pater Ibrahim verglich die Lage der etwa 50000 in Aleppo verbliebenen Christen mit der des heiligen Paulus in der Apostelgeschichte. „Der heilige Paulus war zusammen mit Silas wegen des Glaubens im Gefängnis. Aber durch ihre Gebete wurden sie befreit. Sie haben das schreckliche Gefängnis zu einem Ort des Gebets gemacht. Dazu sind auch wir Christen in Aleppo aufgerufen. So furchtbar dieser Ort ist, so müssen wir doch ein christliches Zeugnis geben. Wir dürfen nicht nur an uns selber denken.“ Das Kreuz, das die Christen trügen, so Pater Ibrahim, sei sehr schwer. „Aber es schafft auch eine Gemeinschaft mit Gott und untereinander, wie ich es vorher nicht erlebt habe. Mein Glaube und meine priesterliche Berufung sind in Aleppo gewachsen. Ich bete viel vor dem Tabernakel, dass der Herr uns beistehe.“

Ausdrücklich dankte Pater Ibrahim den Wohltätern von „Kirche in Not“. „Ohne Ihre Großzügigkeit könnten wir kaum etwas tun. Seien Sie versichert, dass jeden Tag Gebete zu Gott aus den Mündern von Kindern, Armen und Alten kommen, dass er Sie für Ihre Hilfe segne. Bitte beten Sie auch weiterhin inständig für uns, damit wir stark bleiben im Glauben und in der Liebe. Denn diese Krise geht über unsere Kräfte.“

„Kirche in Not“ hilft den Christen Aleppos seit Jahren. Durch die kirchlichen Partner vor Ort werden unter anderem Programme für die Versorgung mit Kleidung, Nahrung und Medikamenten unterstützt. Hinzu kommen Wohn- und Studienhilfen. „Kirche in Not“ hilft darüber hinaus Christen aus Syrien und dem Irak, die vor Krieg und Terror fliehen mussten und Zuflucht in ihren Ländern oder dem benachbarten Ausland gefunden haben.