Kirchenführer mahnen Regierung



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Die Ankündigung führender hindu-nationalistischer Netzwerke, man plane – insbesondere in den Stammesgebieten Indiens – eine Kampagne gegen religiöse Konversion, kommentieren katholische Kirchenführer mit der Feststellung, eine solche Kampagne bestehe schon seit Langem; dieser Schachzug ziele darauf ab, Menschen entlang religiöser Grenzen zu spalten, um politischen Nutzen daraus zu ziehen. Der Vorwurf, der den Christen gemacht wird: Sie würden im Verborgenen und durch Manipulation Stammesangehörige bekehren.

In den Stammesgebieten ist ein plötzlicher Anstieg der Gewalt gegen Christen zu verzeichnen und christliche Führer haben die Regierung aufgefordert, gegen diese Verbrechen vorzugehen.

„Dies ist weder eine allein für sich stehende noch eine plötzliche Kampagne, und erst recht keine neue. Der RSS hat sie während des Großteils seines 96-jährigen Bestehens auf der Agenda gehabt“, sagte John Dayal, Journalist, inzwischen katholischer Aktivist und Sprecher der All India Catholic Union, gegenüber KIRCHE IN NOT (ACN).

Der RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh – „Nationale Freiwilligenorganisation“) ist bekannt als Ausgangsbasis des Hindu-Nationalismus und als treibende ideologische Kraft hinter der regierenden BJP (Indische Volkspartei), die seit 1998 im Zentrum der politischen Bühne Indiens steht.

 „Als einer der wichtigsten Arme des RSS hat der VHP (Vishna Hindu Parishad – Welt-Hindu-Rat) in den Stammesgebieten Zentralindiens in dieser Frage die Führung übernommen. Es ist ihm fast gelungen, die Adivasi-(Stammes-)Gemeinschaften in den Waldgebieten von Jharkhand, Orissa, Chhattisgarh und Madhya Pradesh aufzuwiegeln “, sagte Dayal, einer der Gründer des United Christian Forum for Human Rights.

Dayal berichtet, dass der RSS und der VHP ihre Kampagnen über Nachrichtensender angekündigt haben. Im Gegensatz zu dem gegen die Christen erhobenen Konversionsvorwurf geht ihr Bevölkerungsanteil immer weiter zurück.  „VHP und RSS sollten die Anschuldigungen mit Daten und Statistiken belegen. 1950 betrug der Anteil der Christen an der Bevölkerung drei Prozent, 1971 lag er bei 2,6 Prozent und bei der Volkszählung 2011 bei 2,3 Prozent. Das zeigt, dass die Vorwürfe jeglicher Grundlage entbehren.“

„Der Hinweis auf Stammesgebiete in der Kampagnenerklärung lässt die politische Agenda dahinter zutage treten“, erklärte Arun Pannalal, der sich unter dem Banner des Chhattisgarh Christian Forum für die leidgeprüften Christen im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh einsetzt.

Die hinduistisch-nationalistische BJP hat bei den Wahlen 2019 sowohl die Kontrolle über das von Stammesvölkern dominierte Chhattisgarh als auch über den benachbarten Bundesstaat Jharkhand verloren, darum „ist die Kampagne schon im Gange“, so Pannalal gegenüber KIRCHE IN NOT. „Sie versuchen, die Emotionen der hindu-nationalistischen Kader anzustacheln. Konversionsvorwürfe sind ein einfaches Mittel dazu.“

„Eine gut geölte Maschinerie ist am Werk. Tage vor einem Angriff auf Christen sind erstmals Zeitungsberichte gegen Konversionen erschienen, gefolgt von Debatten im Fernsehen, zu denen keine Christen eingeladen waren, um etwas zur Verteidigung der Christen zu sagen. Auch die sozialen Medien werden genutzt: Es gibt Hassreden, Kundgebungen gegen Konversionen werden inszeniert. Wenn die Atmosphäre des Hasses reif ist, findet der Angriff dann statt“, sagte Pannalal.

„Es finden regelmäßig Dorfversammlungen statt, bei denen gegen Christen gehetzt wird. An diesen Treffen tief im Dschungel nehmen 2000 bis 5000 Stammesangehörige teil. Sie erhalten kostenlose Mahlzeiten und werden indoktriniert. Das erklärt Berichte über Vorfälle, bei denen Christen aus Chhattisgarh vertrieben wurden“, sagte Pannalal.

Vor kurzem kam es zu einem weiteren Angriff, bei dem ein Kreuz abgerissen und an derselben Stelle ein Hindu-Tempel errichtet wurde. „Die Zahl der Gräueltaten, die sich gezielt gegen Christen richten, nimmt alarmierend zu“, so Pannalal.

„Ich habe gerade ein beängstigendes Video gesehen, in dem einige (Hindus) sagen: ‚Wir tun alles für unsere Religion.‘ Die Behörden müssen Rechtsstaatlichkeit durchsetzen und gewährleisten, dass die Täter nicht davonkommen“, sagte Henry Thakur, Erzbischof von Raipur, der Hauptstadt von Chhattisgarh, gegenüber KIRCHE IN NOT. „Früher gab es sporadische Angriffe. Jetzt sind sie regelmäßig, organisiert und koordiniert.“

„Wir zweifeln nicht daran, dass das Schreckgespenst der Konversion ein Werkzeug in den Händen von Hindu-Nationalisten ist“, äußerte ein einheimischer Geistlicher aus der Diözese Ranchi, Hauptstadt von Jharkhand, gegenüber KIRCHE IN NOT. „Sie (die Hindu-Nationalisten) versuchen, die Angehörigen der Stämme für ihre Zwecke miteinzubinden, indem sie diesen erzählen, sie seien Hindus. Historikern zufolge ist die (animistische) Stammeskultur jedoch viel älter als die Hindukultur. Doch sie versuchen, bei den Stämmen auf breiterer Ebene Fuß zu fassen, indem sie ihnen den Hindu-Stempel aufdrücken und sie gegen Christen aufbringen“, sagte der katholische Priester

Er fügte hinzu: „Die Kirche hat kein System, um mit den Verbrechern fertigzuwerden. Der Staatsapparat, von der Polizei bis zur Justiz, muss wirksam eingreifen, um die Christen zu schützen.“