Seit den ersten Anfängen erfährt das Christentum Widerspruch und Ablehnung. Das Lukasevangelium berichtet, wie der greise Prophet Simeon im neugeborenen Jesus den lang ersehnten Messias erkannte. Doch zugleich sah er schon die Leiden voraus, die ihm bevorstanden. Zur Gottesmutter Maria gewandt, prophezeite er: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ (Lk 2,34b-35).
Als König Herodes durch die Sterndeuter aus dem Osten von der Geburt des Messias in Bethlehem erfahren hatte, fasste er den Entschluss, das Kind Jesus umzubringen. Dessen Zieh vater Josef aber flüchtete mit Maria und Jesus nach Ägypten. Jesus hat also seine ersten Lebensjahre als Flüchtling im Exil, in der Fremde, fern der Heimat, verbracht.
Als Jesus ganz am Anfang seines öffentlichen Wirkens in der Synagoge von Nazareth predigte, reagierten die Bewohner des Ortes empört auf seine Worte, weil er ihnen ihren Unglauben vorgeworfen hatte. Und „sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges … und wollten ihn hinabstürzen“ (Lk 4,29). Auch hier Ablehnung und Vertreibung und der Versuch, Jesus umzubringen. „Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.“ (Lk 4,30).
Als Jesus dann schließlich nach Jerusalem zog und dort im Tempel predigte, suchten die Hohenpriester und die Schriftgelehrten nach einer Gelegenheit, „Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen, um ihn zu töten“ (Mk 14,1). Durch den Verrat des Judas geriet Jesus tatsächlich in die Hände der religiösen Führer, die ihn der römischen Behörde auslieferten, um ihn durch die Römer kreuzigen zu lassen.
So wie Jesus gelitten hat und eines gewaltsamen Todes gestorben ist, so ist es auch vielen seiner Jünger ergangen. Jesus hat ihnen Leiden und Verfolgung vorausgesagt: „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen.“ (Joh 15,20).
„Man wird euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen.“ (Lk 21,12).
Tatsächlich zog sich die Christenverfolgung durch alle Jahrhunderte, bis sie im 20. Jahrhundert vor allem unter dem Kommunismus einen dramatischen Höhepunkt erreichte. Das 20. Jahrhundert kann als „Jahrhundert der Märtyrer“ bezeichnet werden. Und auch heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gibt es noch viele Länder, in denen Christen wegen ihres Glaubens diskriminiert, bedrängt, bedroht, eingesperrt und gefoltert, in Arbeits- und Umerziehungslager verbannt, vertrieben oder umgebracht werden. Am Anfang der Märtyrergeschichte aber steht Jesus Christus: gleichsam das Urbild des christlichen Märtyrers.
Jesus Christus war sich der tödlichen Gefahr, die mit seiner Sendung verbunden war, sehr wohl bewusst. Er lebte aber mit ganzer Hingabe für die Frohe Botschaft, die er zu verkündigen hatte, für das nahegekommene Reich Gottes. Den Menschen die barmherzige Liebe Gottes zu verkünden und diese Liebe den Menschen zuzuwenden, war das oberste Ziel seines Lebens. Diese Liebe zu Gott und zu den Menschen soll auch das Leben seiner Jünger bestimmen: „Das ist mein Gebot: liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,12-13).
Das klare Bekenntnis zu Jesus Christus, auch und gerade unter drohender Gefahr für Leib und Leben, ist der höchste Liebesbeweis, den ein Mensch Gott gegenüber ablegen kann. Das Martyrium ist der höchste Beweis wahrer Gottesfreundschaft.
Das mutige Glaubenszeugnis ist aber nicht nur Ausdruck tiefer Verbundenheit mit Gott, sondern auch Dienst am Nächsten. Insbesondere das Blutzeugnis (Martyrium) für Jesus Christus lenkt den Blick der Menschen nämlich auf eine letzte Wahrheit und Wirklichkeit, die über allem anderen steht: auf den dreifaltigen Gott. Anderen Menschen diesen Dienst zu erweisen, ihnen den Weg zur Wahrheit zu eröffnen, ist vielleicht der größte Dienst, den ein Mensch einem anderen leisten kann. Die Bereitschaft, für diesen Dienst Nachteile, Spott, Diskriminierung, Anfeindung, Schmerzen, vielleicht sogar den gewaltsamen Tod zu erleiden, verleiht dem Glaubenszeugnis dabei eine besondere Glaubwürdigkeit.
Das mutige Bekenntnis zu Jesus Christus, bis hin zum Märtyrertod, beeindruckt und überzeugt und macht anderen Menschen Mut, sich ebenfalls auf Jesus Christus einzulassen und ihm nachzufolgen. Dies ist wohl der Grund, warum schon die frühe Christenheit den Satz geprägt hat: „Das Blut der Märtyrer ist der Same für neue Christen“ (Tertullian).
Ein Christ lebt nie allein für sich, sondern immer in der Gemeinschaft aller Christusgläubigen. Der Apostel Paulus gebrauchte für diese Gemeinschaft gerne das Bild vom „Leib Christi“. Aus dieser Verbundenheit folgt: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“ (1 Kor 12,26).
Auch heute sollten wir Christen uns geistig verbunden fühlen mit den Christen, die wegen ihres Glaubens bedrängt und diskriminiert, unterdrückt oder gar verfolgt werden.
Wer um die Notsituationen seiner Brüder und Schwestern im Glauben weiß, der wird diese Nöte mit in sein Gebet hineinnehmen. Gerade für Christen in Gefangenschaft und in lebensbedrohlichen Lagen ist es eine große Hilfe, wenn sie wissen, dass es andere Christen gibt, die für sie beten.
Pater Werenfried van Straaten, der Gründer von KIRCHE IN NOT, hat uns immer wieder biblische Vorbilder vor Augen gestellt: die weinenden Frauen von Jerusalem, die ihr tiefes Mitgefühl deutlich zum Ausdruck brachten; Veronika, die Jesus das Schweißtuch reichte; Simon von Cyrene, der half, Jesu Kreuz zu tragen; die Gottesmutter Maria, die Jesus bis zum letzten Ende zur Seite stand. Pater Werenfried schreibt zu diesen Vorbildern: „Diesen Dienst des Mitleidens durch einen Blick der Ermutigung, durch einen Bissen Brot, durch Öl und Wein in den klaffenden Wunden, … diesen hohen Dienst der Liebe fortzusetzen ist eure Ehrenschuld gegenüber der verfolgten Kirche, die Christus ist. All eure Gaben für die verfolgten Brüder gelangen mit unfehlbarer Sicherheit in die Hände Jesu, der ausdrücklich erklärt hat: »Was ihr den geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.«“
Gott, nach dem geheimnisvollen Ratschluss deiner Liebe lässt du die Kirche teilhaben am Leiden deines Sohnes. Stärke unsere Brüder und Schwestern, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Gib ihnen Kraft und Geduld, damit sie in ihrer Bedrängnis auf dich vertrauen und sich als deine Zeugen bewähren. Schenke ihnen Freude darüber, dass sie sich mit Christus im Opfer vereinen, und gib ihnen die Zuversicht, dass ihre Namen im Buch des Lebens eingeschrieben sind. Gib ihnen die Kraft, in der Nachfolge Christi das Kreuz zu tragen und auch in der Drangsal ihren christlichen Glauben zu bewahren. (Gotteslob, Nr.28.4)