Der Glaube an die Dreifaltigkeit Gottes (Trinität) bildet die innerste Mitte des Christentums. Durch diesen Glauben unterscheidet sich das Christentum von allen anderen Religionen. Die Dreifaltigkeitslehre beschreibt den Charakter, die Eigenart, das Wesen Gottes, vor allem auch das innere Leben Gottes. Christen vertreten einen strengen Monotheismus: Es gibt nur den einen und einzigen Gott. Er hat sich dem Volk Israel offenbart: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig“ (Dtn 6,4). Er ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (vgl. Ex 3,6). Zugleich bekennen die Christen, dass dieser eine und einzige Gott in sich differenziert ist, in sich dreifaltig ist, ohne dass dadurch seine Einzigkeit aufgehoben würde: ein Gott in drei Personen.
Wie der eine und einzige Gott in sich dreifaltig ist, bleibt dabei für den Menschen ein undurchdringliches Geheimnis, ein strenges Mysterium. Mit der menschlichen Vernunft ist die Dreifaltigkeit Gottes nicht zu erschließen. Gott selbst musste dem Menschen sein innerstes Wesen offenbaren. Uns bleibt nur das ehrfürchtige Staunen, die Gottesfurcht, die Liebe zum dreifaltigen Gott und über allem die Anbetung. „Sein innerstes Wesen als heilige Dreifaltigkeit stellt ein Geheimnis dar, das der Vernunft nicht zugänglich ist und vor der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Sendung des Heiligen Geistes auch dem Glauben Israels unzugänglich war“ (Katechismus der Katholischen Kirche KKK 237).
Durch Jesus von Nazareth ist das Verständnis dafür, wer und wie Gott ist, den entscheidenden Schritt vorangebracht worden. „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.“ So heißt es im Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,18). Damit ist die Menschwerdung Gottes angesprochen: Gott selbst ist Mensch geworden in Jesus von Nazareth. Er hat uns die entscheidende Offenbarung gebracht und unsere Gotteserkenntnis auf ein neues Niveau gehoben. Allerdings brauchte die frühe Kirche einige Zeit, um die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten und ihr neues Wissen auszuformulieren.
Die Kirchenväter unterscheiden zwei Bereiche der Erkenntnis: Die „theologia“, die Lehre von Gott, beschreibt den Charakter, die Eigenart, das Wesen Gottes, oder anders: das Geheimnis des inneren Lebens des dreifaltigen Gottes. Die „oikonomia“ (wörtlich: Haushalts führung) dagegen bezeichnet das Handeln des dreifaltigen Gottes zum Heil der Menschen und der ganzen Schöpfung (Ökonomie der Erlösung). Durch sein Handeln, seine Taten, seine Offenbarungen nimmt der dreifaltige Gott Beziehung zu seinen Geschöpfen auf und führt sie zum Heil. „Die Werke Gottes offenbaren uns sein inneres Wesen, und umgekehrt lässt uns das Mysterium seines inneren Wesens alle seine Werke besser verstehen“ (KKK 236). Im Laufe der ersten Jahrhunderte bemühte sich die Kirche, die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes tiefer zu erfassen und präziser zu formulieren. Vor allem musste sie Fehldeutungen als solche entlarven und verzerrende oder unzulängliche Erklärungsversuche abweisen und verwerfen. Das geschah vor allem durch die Kirchenväter und die ersten Konzilien.
Dabei mussten Worte gefunden werden, mit denen das Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit angemessen beschrieben werden kann. Diese Begriffe wurden vor allem aus der Philosophie genommen. Gott hat uns offenbart, dass er der eine und einzige Gott ist, aber in sich dreifaltig: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist bilden einen einzigen Gott. Der Charakter, die Eigenart, das Wesen Gottes wird als „Substanz“ bezeichnet oder auch als „Natur“. In ihrer Substanz sind die drei göttlichen Personen identisch, sie sind eines Wesens. Jede von ihnen ist voll und ganz Gott, der eine wahre Gott. Für die Verschiedenheit von Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist wird der Begriff „Person“ verwendet oder auch „Hypostase“. Allerdings dürfen wir das Personsein Gottes auf keinen Fall gleichsetzen mit dem Personsein eines Menschen. Das Personsein Gottes ist anders und unendlich mehr als das Personsein eines Menschen. Gemeint ist vor allem die Fähigkeit und der Wille zur Beziehung. Beziehung aber wird erst möglich zwischen mehreren Personen.
Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist das Geheimnis einer inner – göttlichen Liebe zwischen den drei göttlichen Personen. „Gott ist die Liebe“, lautet die Spitzenaussage des Neuen Testamentes (1 Joh 4,8.16). Das innerste Wesen Gottes ist Liebe. Sie kommt zum Ausdruck in den Beziehungen zwischen den drei göttlichen Personen. Gott ist kein einsames Wesen, sondern in sich Beziehung, Gemeinschaft und überströmende Fülle. „In der ewigen Einheit des einen göttlichen Wesens bewegt sich eine dreifache Liebe, die wir Vater, Sohn und Geist nennen“ (Karl Wallner).
Die erste Person der göttlichen Dreifaltigkeit ist Gott Vater. Er ist der „Quell und Ursprung der ganzen Gottheit“ (KKK 245). Er ist die Quelle einer sich selbst verströmenden Liebe. Aus dieser überfließenden Liebe gehen der Sohn und der Heilige Geist hervor. Gott Vater ist reines Geben, reines Sich-Schenken, Sich-Verströmen. Er verschenkt sich ganz und gar. Daraus entsteht Gott Sohn. Der Vater „zeugt“ den Sohn, wie die Kirchenväter formulierten. Und der Vater sendet den Sohn in die Welt.
Gott Sohn ist der Empfangende, er ist reines Empfangen. Der Sohn empfängt vom Vater sein Sein, sein Leben, sein Gott-Sein, seine göttliche Herrlichkeit. Doch behält er all dies nicht für sich. Denn auch er ist ein Schenkender. Alles, was er erhält vom Vater, schenkt er weiter. Er ist reines Weitergeben. Und er wird vom Vater in die Welt gesandt als Erlöser und Mittler zwischen Gott und den Menschen. Der Vater ist Zeugender, der Sohn ist Gezeugt-Sein. Dadurch sind beide deutlich voneinander unterschieden.
Aus der überfließenden Liebe von Gott Vater geht auch der Heilige Geist hervor. Für diesen Vorgang verwenden die Kirchenväter den Begriff „Hauchung“ und unterscheiden ihn damit deutlich von der „Zeugung“ des Sohnes. Die Liebe, die das Wesen von Gott Vater und Gott Sohn ausmacht, wird im Heiligen Geist Person, gleichsam als eine Frucht der gegenseitigen innergöttlichen Liebe. Der Heilige Geist ist die Liebe Gottes in Person. Er wird auch als „Band der Liebe“ zwischen Gott Vater und Gott Sohn bezeichnet. Die überströmende Liebe, die der Heilige Geist in Person ist, fließt aus Gott auf die Schöpfung über. So ist der Heilige Geist die Gabe Gottes (Apg 2,38), durch die Gottes Liebe in die Herzen der Menschen ausgegossen wird (Röm 5,5) und die Augen des Herzens erleuchtet werden (Eph 1,18).
„Im Heiligen Geist als dem Gott in uns können wir den Gott über uns, den Vater, als denjenigen erkennen, der im Sohn unter uns ist“ (Walter Kasper).
Gott möchte alle seine Geschöpfe teilhaben lassen an seiner göttlichen Glückseligkeit. „Das letzte Ziel der ganzen göttlichen Ökonomie ist die Aufnahme der Geschöpfe in die vollständige Vereinigung mit der glückseligen Trinität (vgl. Joh 17,21-23)“ (KKK 260). Dazu die Schöpfung, dazu die Heilsgeschichte, dazu die Erlösung von Sünde und Tod, dazu die Sendung der Kirche. Das Heilshandeln Gottes in der Zeit, die göttliche „oikonomia“, ist das Werk des dreifaltigen Gottes, also aller drei Personen gemeinsam. Der Heilswille Gottes gehört zu seinem göttlichen Wesen, deshalb ist er allen drei göttlichen Personen auf identische Weise gemeinsam. So hat die Schöpfung einen einzigen Ursprung. „Und doch wirkt jede göttliche Person das gemeinsame Werk gemäß ihrer persönlichen Besonderheit“ (KKK 258). Die zweite göttliche Person wird Mensch (Inkarnation) und lebt als Mensch unter den Menschen. Die dritte göttliche Person erfüllt durch die Geistausgießung das Herz der Glaubenden.
Jedes Christsein beginnt mit der Taufe „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,29). Jedes christliche Gebet beginnt und endet mit dem Kreuzzeichen im Namen des dreifaltigen Gottes. Das Glaubensbekenntnis der Christen besitzt trinitarische Struktur: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen … und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, … Ich glaube an den Heiligen Geist …“ Trinitarische Formeln sind aus der Bibel in den Gottesdienst übernommen worden, so der Eröffnungsruf der Eucharistiefeier aus einem Brief des Apostels Paulus: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). „Schon jetzt sind wir dazu berufen, eine Wohnstätte der heiligsten Dreifaltigkeit zu sein. Der Herr sagt: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen (Joh 14,23)“ (KKK 260).
In der orthodoxen Kirche wird die Dreifaltigkeit bevorzugt symbolisch dargestellt anhand einer Szene aus dem Alten Testament: dem Besuch von drei Engeln bei Abraham und Sarah (Gen 18,1-33). Zu den bedeutendsten Darstellungen zählt die Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljow (siehe Titelbild). In der westlichen Kirche wird die Dreifaltigkeit oft als sogenannter Gnadenstuhl veranschaulicht: Gott Vater hält in seinen Händen das Kreuz, an dem Jesus Christus sein Leben hingegeben hat zur Erlösung der Menschen. Über dem Kreuz schwebt die Taube als Symbol des Heiligen Geistes.
Dreifaltiger verborgner Gott,
ein Licht aus dreier Sonnen Glanz,
drei Flammen einer Liebesglut,
Gott Vater, Sohn und Heilger Geist.
Allherrscher du von Ewigkeit,
Gott Vater, der die Welt erschuf,
du lenkst die Werke deiner Hand
und führst uns durch der Zeiten Lauf.
Gott Sohn, des Vaters Ebenbild,
du König der erlösten Welt,
in dir wird Gott uns Menschen gleich,
in dir der Mensch zu Gott erhöht.
Du Atem Gottes, Heilger Geist,
durchdringst die Welt mit Lebenskraft,
du senkst in uns die Liebe ein,
die alle eint und göttlich macht.
Du großer Gott, der in uns wohnt,
hochheilige Dreifaltigkeit,
dich loben und bekennen wir
jetzt und in alle Ewigkeit.
(Friedrich Dörr 1969)