Der chaldäische Erzbischof Bashar Warda von Erbil, Kurdistan, ist die treibende Kraft hinter zwei wichtigen neuen christlichen Einrichtungen in der Region. 2016 öffnete die Katholische Universität ihre Pforten und im Spätsommer 2019 wird das Maryamana – ein neues, der Jungfrau Maria gewidmete Katholische Krankenhaus – offiziell eröffnet. Seit mehr als drei Jahren leben in der Erzdiözese von Erbil über 120.000 Christen, die im Jahr 2014 vor dem Überfall des Islamischen Staates auf die Ninive-Ebene im Norden des Irak geflohen waren. Während ca. 40.000 Gläubige inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt sind, ist Kurdistan für viele tausend Menschen zum ständigen Domizil geworden. Die einzige katholische Universität im Irak und das Krankenhaus werden den wiederhergestellten christlichen Gemeinschaften der Ninive-Ebene und den Christen in Kurdistan einen starken Impuls geben. Der Erzbischof sprach mit KIRCHE IN NOT (ACN) über die Bedeutung der beiden Projekte.
Welche Vision haben Sie für das neue katholische Krankenhaus?
Das Hauptziel des Krankenhauses ist es, eine effektive und erschwingliche Gesundheitsversorgung in einer vom Krieg geplagten Region zu gewährleisten, in der es an Ressourcen und moderner Ausrüstung mangelt. Dies ist zum Teil auf jahrzehntelange Konflikte zurückzuführen, aber auch auf die Untätigkeit der Regierung. Es ist wahrscheinlich, dass es im nächsten Jahrzehnt noch mehr Flüchtlinge, Binnenflüchtlinge und ältere Menschen in Not geben wird. Wir werden in der Lage sein, die bedürftigsten Patienten zu unterstützen und ihnen Preisnachlässe von bis zu 60 Prozent anzubieten.
In einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit spielt das Krankenhaus doch sicher auch eine wichtige Rolle als Arbeitgeber, oder?
Christen und anderen Minderheiten wird oft der Arbeitsplatz verweigert und sie werden aufgrund eines von Vorurteilen behafteten politischen Systems bei Beförderungen übergangen. Es gibt nur wenige oder gar keine Politiker, die bereit sind, sich für die Rechte der Christen einzusetzen. Dies ist ein Grund, warum Menschen das Land verlassen. Das Schaffen von Arbeitsplätzen wird den Christen zeigen, dass wir für sie in Erbil eine Zukunft aufbauen. Das Maryamana-Krankenhaus ist neben der Universität ein wichtiges und zentrales Projekt, das darauf abzielt, Christen zu motivieren, in Erbil und in der Ninive-Ebene zu bleiben. Beide Einrichtungen zeigen, dass Christen ein fester Bestandteil der irakischen Gesellschaft sind.
Wird das Krankenhaus nur Christen versorgen?
Die Aufgabe des Krankenhauses steht im Einklang mit dem Auftrag der Kirche. Alle Menschen, unabhängig von Religion oder ethnischer Zugehörigkeit, können im Maryamana-Krankenhaus behandelt werden. Diejenigen, deren medizinischen Bedürfnisse am dringendsten sind, werden vorrangig behandelt. Es ist allgemein bekannt, dass Muslime christlichen Gesundheitsexperten vertrauen. Hoffentlich wird das Maryamana-Krankenhaus auch unsere Bemühungen um eine gesellschaftliche Wiederaussöhnung erleichtern, indem es sich ebenfalls der gesundheitlichen Probleme der Angehörigen anderer Religionen annimmt.
Welche medizinischen Leistungen wird das Krankenhaus anbieten?
Das Krankenhaus wird über 70 Betten und sieben Operationssäle verfügen, die voraussichtlich alle ständig genutzt werden. Das Krankenhaus wird 300 ambulante Patienten pro Tag versorgen können und die meisten medizinischen Dienstleistungen anbieten. Neben der Betreuung von Schwangeren und Frühgeborenen wird es Abteilungen für ein breites Spektrum an Fachgebieten geben. Das Krankenhaus wird über eine moderne Laborausstattung verfügen und das gesamte Spektrum an diagnostischen Untersuchungen (z.B. MRT, CT) durchführen können. Es gibt zwei Notaufnahmen sowie eine Apotheke. Wir hoffen, dass Maryamana in circa drei Jahren als Lehrkrankenhaus arbeiten kann. Auch die Einrichtung eines Zentrums für Onkologie im Krankenhaus ist geplant.
Welche Aufgabe verfolgt die katholische Universität in Erbil?
Die Katholische Universität Erbil wurde gegründet, um unseren jungen Menschen Bildungs- und Berufschancen zu bieten, damit sie ermutigt werden, im Irak zu bleiben und die zukünftigen Führer der christlichen Gemeinschaft hier und anderswo im Land werden. Wenn unsere jungen Menschen durch gute universitäre Bildung attraktive Arbeitsplätze in einem mehrheitlich muslimischen Land bekommen, motivieren sie andere Christen, den gleichen Weg einzuschlagen. Die Universität kann religiöse Minderheiten inspirieren und ihnen beweisen, dass sie hier eine lebensfähige und erfolgreiche Zukunft haben. Wir versuchen, Erbil als langfristiges Zuhause für die christliche Gemeinschaft zu etablieren – und dass die Menschen sich zum Bleiben entschließen, wenn es Arbeitsplätze, eine starke Infrastruktur mit Dienstleistungen und Institutionen gibt. Die Schule wird der christlichen Gemeinschaft ein wichtiges Gefühl von Wert und Zugehörigkeit vermitteln.
Wie viele Studenten hat die Universität jetzt und welches Ziel streben Sie an?
Derzeit sind 108 Studenten eingeschrieben, darunter zehn Muslime. Die akademischen Grade werden in den Bereichen Buchhaltung, Englisch, Internationale Beziehungen, Informationstechnologie und Informatik verliehen. Unser Ziel für das akademische Jahr 2022-2023 sind 825 Studenten – 615 irakische Christen, 125 Muslime und 85 Jesiden – die aus anderen Teilen des Irak kommen, nämlich aus Kurdistan, Mossul, der Ninive-Ebene, Duhok, Kirkuk, Bagdad und Basra. Um Studenten zu gewinnen, wollen wir zusätzliche Abteilungen in weiteren akademischen Kernfächern einrichten: Wirtschaft, Ingenieurwesen, Gesundheits- und Medizinwissenschaften sowie Erziehungswissenschaften.
Darüber hinaus wollen wir die Universität als internationales Ankerprojekt etablieren, um das Christentum im Irak zu erhalten. Wir bauen hier Beziehungen zu den zuständigen Ministerien auf und arbeiten international mit vielen Universitäten zusammen, um die Katholische Universität Erbil als Marke zu etablieren. Irakische Christen und andere Minderheiten zieht es zur Universität, weil der Unterricht auf Englisch stattfindet und weil die Universität in Ankawa, dem christlichen Viertel von Erbil, liegt. In einer Umgebung also, die Sicherheit und Geborgenheit verspricht. Das neue Maryamana-Krankenhaus befindet sich ebenfalls in Ankawa.
Was sind Ihre größten Sorgen im Zusammenhang mit diesen Initiativen, mit dem Krankenhaus und der Universität?
Die größte Herausforderung bestand darin, beide Institutionen zu bauen und in Betrieb zu nehmen. Beim Krankenhaus steht die Rückzahlung unserer Kredite im Vordergrund, aber wir wissen, dass das Krankenhaus voll ausgelastet und profitabel sein wird. Der Bedarf ist vorhanden. In Kurdistan gibt es über eine Million Flüchtlinge und Hunderttausende alter Menschen. Kliniken in Erbil und Duhok versorgen pro Monat mehr als 1.000 Patienten. Nicht weniger als 2.000 chronisch kranke Patienten sind auf unsere hiesige Klinik St. Joseph und sehr teure Medikamente angewiesen.
Die noch junge Universität benötigt mehr Hilfe, da die meisten unserer Studenten – viele von ihnen aus Karakosch auf der Ninive-Ebene – Vollstipendien haben. Wir müssen das Studienangebot erweitern, denn die Zahl der Abteilungen hängt von der Zahl der Bewerber ab. Es ist schwierig, englische Muttersprachler als Lehrer zu gewinnen, da die Konsulate sagen, dass Kurdistan unsicher ist. Wir können Menschen nur durch Mundpropaganda und Erfahrungsberichte von Besuchern gewinnen, aber ich glaube, dass wir Erfolg haben werden. Derzeit absolvieren 14 junge Menschen aus unserer Region Masterstudiengänge in den USA, Großbritannien, Italien und Australien. Nach ihrer Rückkehr nach Hause werden sie sowohl an der Universität als auch im Krankenhaus eine Schlüsselrolle spielen.
Ich danke allen unseren Wohltätern von ganzem Herzen und mit meinen Gebeten. Sie leisten eine großartige Arbeit für uns alle hier. Gott segne sie alle.
Seit zwei Jahren unterstützt KIRCHE IN NOT die Katholische Universität Erbil und das Maryamana-Krankenhaus mit der Finanzierung von Stipendien und dem Kauf modernster medizinischer Geräte. Von 2014 bis 2017 stellte KIRCHE IN NOT mehr als 40 Millionen Dollar für Projekte zur Unterstützung der chaldäischen Erzdiözese Erbil zur Verfügung. Diese stellt Nahrungsmittel, medizinische Versorgung, Unterkünfte und Bildung für die Binnenflüchtlinge bereit, die die Ninive-Ebene verlassen mussten, nachdem der IS die Region erobert hatte.
Um die geflohenen christlichen Familien und die Kirche im Irak weiter unterstützen zu können, bittet KIRCHE IN NOT um Spenden – online unter: www.kircheinnot.at oder auf folgendes Konto:
Empfänger: KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
Verwendungszweck: Irak