„Die Religion darf nicht dazu benutzt werden, die Ausbeutung zu vertuschen“, erklärte Nongo-Aziagba. Dies sei „ein Ablenkungsmanöver, das von den wirklichen Problemen wegführt: Armut, Analphabetismus und mangelnde Gerechtigkeit.“ Letzteres zeige sich daran, dass die Mitglieder der Rebellengruppen weitgehend straffrei ausgingen, obwohl schlimme Gräueltaten auf ihr Konto gingen. „Die Zentralafrikanische Republik steckt in einer politischen und nicht in einer religiösen Krise“, fügte der Bischof hinzu.
Rebellentruppen aus dem Ausland gefördert?
Den Séléka-Truppen, die sich 2012 gebildet hatten und mittlerweile in verschiedene Gruppen zersplittert sind, gehörten zwar mehrheitlich Muslime an. Aber ihr Ziel sei „nicht die Bevölkerung zu bekehren, sondern das Land auszubeuten“, sagte Nongo-Aziagba. Mehr als zwei Drittel der Milizionäre seien Söldner aus dem Tschad, Niger, Kamerun und anderen Nachbarstaaten. Viele von ihnen seien keine praktizierende Muslime. „Sie verfolgen keine islamistischen Ziele. Ihr Augenmerk gilt dem Mineralienreichtum des Landes.“
Als Reaktion auf die Angriffe der Séléka bildete sich die Gruppe der sogenannten Anti-Balaka, der auch zahlreiche Christen angehören. Diese gäben vor, die Interessen der Christen im Land zu verteidigen, die etwa 75 Prozent der Bevölkerung stellen. „Damit verdrehen sie jedoch die Wahrheit“, erklärte der Bischof. Er wirft mehreren Rebellengruppen vor, von der direkten oder indirekten Unterstützung einiger ausländischer Nationen zu profitieren. Dazu zählt Vorsitzende der Bischofskonferenz China, Russland und einige westliche Ländern. Diesen gehe es ausschließlich darum, den Bodenreichtum der Zentralafrikanischen Republik abzuschöpfen. „Die Milizen schaden Christen und Muslimen gleichermaßen“, sagte Nongo-Aziagba.
Derweil hält die Flüchtlingswelle weiter an: Human Rights Watch zählte für 2018 mehr als 640 000 Binnenflüchtlinge in der Zentralafrikanischen Republik. Und die Vereinten Nationen beziffern die Zahl der Menschen, die ins Ausland geflüchtet sind, mit rund 570 0000. Im Februar 2019 hat die Regierung der Zentralafrikanischen Republik ein Friedensabkommen mit mehr als einem Dutzend Rebellengruppen unterzeichnet. Bischof Nongo-Aziagba hat jedoch Zweifel an der Wirksamkeit, da die verschiedenen Milizen „das Abkommen widersprüchlich auslegen.“ Die Erfahrungen mit den UN-Truppen im Rahmen der seit 2014 anhaltenden Mission MINUSCA sei bestenfalls „unregelmäßig“ zu nennen. ´
„Wo bleibt die Souveränität unseres Staates?“
Auf die Frage, warum sich weitern viele Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, den Milizen anschließen, nennt der Bischof drei Gründe: steigende Armut, fehlende Bildung und den Willen der Menschen, sich gegen weitere Angriffe zu wappnen. Die Menschen seien frustriert über den zunehmenden Zerfall des Landes. Schwäche der Regierung zeige sich laut Nongo-Aziagba unter anderem darin, dass „etwa 80 Prozent des Landes von Rebellengruppen kontrolliert werden und es kein funktionierendes Straßen- oder Transportsystem gibt“. Im Nordosten der Zentralafrikanischen Republik orientiere sich die Bevölkerung wirtschaftlich Richtung am Sudan und verwende dessen Währung, im Südosten ist Wirtschaft und Währung der Demokratischen Republik Kongo der Fixpunkt. „Wo bleibt die Souveränität unseres Staates?“, fragt der Bischof.
Die katholische Kirche in der Zentralafrikanischen sei fest entschlossen, den christlich-muslimischen Dialog weiter zu fördern. „Es ist entscheidend, dass Christen und Muslime zeigen, dass sie vereint sind“ und sich damit der Gewalt wiedersetzten, die in ihrem Namen ausgeübt werde, zeigt sich Nongo-Aziagba überzeugt. „Als Christ habe ich Hoffnung für die Zukunft“, führte der Bischof aus, „aber ich muss realistisch bleiben: Es ist sehr schwer, die Gewalt der letzten Jahre zu überwinden.“
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