Erzbischof Matthew Man-Oso Ndagoso aus Kaduna im Norden Nigerias lebt in einer der gefährlichsten Regionen des Landes, auch wenn sein Lächeln und seine Freundlichkeit während des Gesprächs mit KIRCHE IN NOT nichts davon erahnen lassen.
Aufgrund der Gewalt von islamistischen Gruppierungen ist die Evangelisierung in Nigeria zu einem risikoreichen Wagnis geworden. Acht Priester aus der Diözese Kaduna wurden in den vergangenen drei Jahren entführt: Vier wurden freigelassen, einer wird noch vermisst und drei Priester wurden von ihren Entführern getötet.
Einer dieser drei habe erstaunlichen Mut bewiesen, berichtet der Erzbischof: „Als sie ein Maschinengewehr auf ihn richteten, sagte er zu seinen Angreifern, sie sollten ihre bösen Taten bereuen, woraufhin sie ihn töteten.“
Trotzdem setzt Bischof Ndagoso seine Mission fort. „Ich habe fünf Wachhunde, damit ich ruhig schlafen kann“, berichtet er. Er reist mit Personenschutz zu gut bewachten Orten, denn er fürchtet, dass er als Bischof leichte Beute für Banditen sein könnte. „Wir sehen unterwegs oft Fahrzeuge, die überfallen worden sind und die uns daran erinnern, was uns jeden Moment passieren kann“, sagt er gegenüber KIRCHE IN NOT.
Die Unsicherheit ist für die Menschen in Nigeria alltäglich geworden. Die Priester müssen bei jedem ihrer Schritte und Besuche abwägen, ob sich das Risiko lohnt. Dies ist zur Hauptsorge geworden: „Der Glaube fällt nicht vom Himmel. Es braucht Seelsorger, aber wir wissen, dass wir Risiken eingehen, wenn wir sie irgendwohin schicken. Im Grunde genommen gehen wir zu den Anfängen der Kirche zurück“, so Erzbischof Ndagoso.
Die Religion ist in Nigeria, dessen Bevölkerung prozentual fast zu gleichen Teilen aus Christen und Muslimen besteht, von entscheidender Bedeutung. Diejenigen, die Konflikte im Land schüren wollen – insbesondere die Gruppen Boko Haram und ISWAP – versuchten, die Religionsgemeinschaften gegeneinander auszuspielen, beklagt der Erzbischof. Er fügt hinzu: „Religion sollte verbindend und nicht spaltend wirken.“
Das Leben von Erzbischof Ndagoso steht sinnbildlich für die Koexistenz verschiedener religiöser Gruppen, die für Nigeria charakteristisch ist. Sein Vater war Oberhaupt einer traditionellen Religion. Auf Initiative eines Cousins wurde Ndagoso in einer katholischen Schule unterrichtet. Er entschied sich im Alter von zehn Jahren für die Taufe.
„Hier in Afrika südlich der Sahara liegt uns die Religion im Blut: Wir haben hier eine religiöse Kultur. Das hat mir mein Vater vererbt, und ich danke ihm dafür. Mein Vater hat mir nie einen Vorwurf wegen meiner Entscheidung gemacht, er war glücklich über meine Konversion – auch wenn er es lieber gesehen hätte, wenn ich geheiratet hätte“, fügt er lächelnd hinzu.
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Verwendungszweck: Nigeria
In der Abtei St. Scholastika in Umuoji im Südosten Nigerias blüht das benediktinische Leben: 114 Schwestern leben hier nach der Regel des heiligen Benedikt, und weiterhin gibt es viele Berufungen. Sie leben nach dem berühmt gewordenen Prinzip des „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) und ernähren sich daher von der Arbeit ihrer Hände.
Ihre wichtigste Einkommensquelle ist das Backen von Hostien für die Eucharistiefeiern. Diese Tätigkeit ist nicht nur ideal mit dem kontemplativen Leben vereinbar, sondern leistet der Ortskirche einen wichtigen Dienst, denn die Eucharistie ist Quelle und Zentrum des Lebens der Kirche.
Allein in der Erzdiözese Onitsha, in der sich ihr Kloster befindet, leben knapp zwei Millionen Katholiken, die größtenteils aktiv am Leben der Kirche teilnehmen. Der Bedarf an Hostien ist daher groß.
Nun verfügte das Kloster aber nur über eine alte Ausstattung zum Backen von Hostien, die teilweise defekt war. Die Arbeit war daher mehr als beschwerlich, und ein Team von 20 Schwestern mühte sich ab, um genügend Hostien herzustellen. Dadurch verpassten sie oft die Stundengebete, die Mahlzeiten und Erholungszeiten, weil anders die Arbeit nicht zu bewältigen war.
Unsere Wohltäter haben 20.000 Euro gespendet, um den Schwestern zu helfen. Inzwischen haben sie eine Backmaschine erhalten, mit der die Arbeit wesentlich schneller, einfacher und effektiver zu bewerkstelligen ist.
Mutter Mary Ruphina Chukwuka, die Äbtissin, schreibt uns: „Die Schwestern haben sich sehr gefreut, die Ausrüstung erhalten zu haben. Wir danken Gott für Ihre große Freundlichkeit uns gegenüber. Nach der Covid-19-Pandemie waren die Dinge sehr schwierig, vor allem in Kombination mit der ungünstigen Situation in unserem Land und in der Welt insgesamt. Ihr immenser Beitrag hat uns sehr geholfen.“
Allen, die geholfen haben, ein herzliches Dankeschön.
Trotz andauernder Kämpfe in der sudanesischen Hauptstadt Khartum und in der Region Darfur im Westen des Landes ist die katholische Kirche weiterhin vor Ort und kümmert sich um die bedürftigen Menschen.
In einem Gespräch mit KIRCHE IN NOT betonte ein Missionspriester, dass er trotz der verschärften Kämpfe so lange wie möglich im Land bleiben werde, um den von der Gewalt betroffenen Menschen zu dienen.
„Ich möchte bis zur letzten Minute bleiben und die Menschen nicht alleinlassen“, betonte der Missionar, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss. „Viele unserer Katholiken sind [in die Kirche] gekommen, denn die Kirche ist ihre Hoffnung. Aber wir stehen vor den gleichen Herausforderungen wie die übrigen Einwohner.“
Ungeachtet eines Waffenstillstands kommt es weiterhin zu Gewalt und Kämpfen. Die Kirchen haben ihre Türen geöffnet, um den schutzsuchenden Menschen Zuflucht zu bieten. Gegenüber KIRCHE IN NOT berichten die Projektpartner vor Ort, dass der andauernde Wassermangel das größte Problem sei. Bei Temperaturen von annähernd 40 Grad in der Hauptstadt Khartum sei Wasser lebensnotwendig.
Die Menschen machten sich trotz Schüssen in der Stadt auf den Weg zum Blauen Nil, der durch Khartum fließt. Wenn es ihnen gelinge, Flusswasser zu holen, müssten sie es jedoch erst einmal reinigen, weil es so schmutzig sei. Auch andere Güter sind knapp, so bilden sich lange Schlangen vor Tankstellen. Benzin gebe es dennoch so gut wie keines.
Auch wenn die Zahl der Todesopfer jeden Tag steigt, seien bisher noch keine kirchlichen Mitarbeiter getötet worden, so die Projektpartner weiter. Allerdings seien Kirchen und Krankenhäuser beschädigt worden. Beispielsweise wurde die Kirche in al-Chartum Bahri, einer Vorstadt von Khartum, von einer Bombe getroffen. Das anschließende Feuer konnte jedoch von den anwesenden Menschen gelöscht werden.
Bewaffnete Kämpfer seien nach Angaben von KIRCHE-IN-NOT-Projektpartnern auch in die Kathedrale in Khartum eingedrungen, und die Kapelle einer Ordensgemeinschaft sei bombardiert worden. In Sudan sind etwa fünf Prozent der Bevölkerung Christen. Der überwiegende Teil sind Muslime (über 90 Prozent).
Man bete für ein baldiges Ende der Gewalt und des Konflikts, aber dazu sei keine der beiden Konfliktparteien bereit. Auch wenn man international auf einen Dialog setze, so werde immer noch geschossen, bestätigten die Projektpartner.
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Verwendungszweck: Sudan
Das Zentralgefängnis von Bukavu im Osten der Demokratischen Republik Kongo: Eigentlich wurde es für 500 Häftlinge gebaut. Heute sind über 2100 Menschen hinter diesen Mauern eingesperrt. „Eigentlich bin ich ja nicht der echte Leiter dieses Gefängnisses. Das ist er, Pfarrer Adrien“, empfängt der Direktor lachend an der Pforte den einzigen täglichen Besucher.
Schnell scharen sich die Gefangenen um den Priester im braunen Shirt und mit Baseballkappe. Lächelnd begrüßt Pfarrer Adrien Cishugi die Inhaftierten mit ihren Vornamen. „Es gibt hier nicht genügend Platz, es gibt nicht genügend Nahrung, eigentlich fehlt es an allem“, erzählt der Gefängnisseelsorger Vertretern von KIRCHE IN NOT, die ihn bei seiner Arbeit begleiten. Unser Hilfswerk unterstützt die Gefängnisseelsorge in der Erzdiözese Bukavu.
Ein Blick in die Gefängniszellen macht den Mangel offensichtlich: Über 300 Häftlinge sind in einem einzigen Raum untergebracht. Sie liegen und sitzen auf dem Boden oder auf Hochbetten, die keine Matratze haben, sodass die Häftlinge mit den blanken Eisenplatten Vorlieb nehmen müssen. Es gibt kein elektrisches Licht und keine Fenster. Obwohl draußen die Sonne scheint, geht ein Teil der Häftlinge nicht hinaus.
In der Gefängnisküche zeigt Pfarrer Adrien einen Becher hoch, der weniger als einen Viertelliter fasst: „Das ist die Tagesration Mais oder Hirse für einen Häftling.“ Weil das nicht ausreicht, müssen die Häftlinge Lebensmittel bei Händlern kaufen, die Zugang zum Gefängnis haben.
Glücklicherweise gibt es christliche Vereine, die kostenlos Nahrungsmittel verteilen, um die Tagesration zu ergänzen. Allerdings können sie nicht jeden Tag kommen, bedauert Pfarrer Adrien.
Auf der Krankenstation zittert ein junger Häftling vor Angst und Schmerz beim Verbandswechsel. Er ist kaum älter als 20. Ein Druckgeschwür hat sich tief in sein Bein gefressen. Normalerweise leiden darunter nur bettlägerige Menschen. Aber der junge Mann hat tagelang bewegungslos auf seinem Lager gelegen.
„Ich will, dass die Welt erfährt, was hier geschieht“, sagt der behandelnde Arzt und besteht darauf, dass die Mitarbeiter von KIRCHE IN NOT die Wunden seines Patienten fotografieren.
„Wir müssen darum kämpfen, grundlegende Produkte wie Desinfektionsmittel und Verbandszeug zu bekommen. Die Menschen, die hier ernsthafte Krankheiten haben, sind zum Tod verdammt!“ Durch die schlechten hygienischen Bedingungen nehmen Tuberkulose und andere Erkrankungen unter den Häftlingen zu.
Pfarrer Adrien liegen besonders die jungen Häftlinge am Herzen. In der Unruheregion im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind sie anfällig für Extremismus und organisierte Kriminalität.
Der Seelsorger versucht, sie mit allen Mitteln der Lethargie zu entreißen und positive Kräfte in ihnen zu wecken. Er zeigt einen kleinen Pokal, den er in seiner Tasche versteckt hat: der Preis bei einem Fußballturnier, das er demnächst im Gefängnis veranstaltet.
Genauso wichtig wie Medizin, Lebensmittel und Beschäftigung ist jedoch die seelsorgerische Begleitung der Gefangenen. Pfarrer Adrien konnte vor Kurzem eine neue Gefängniskapelle segnen, die in einem Trakt mit minderjährigen Häftlingen untergebracht ist.
An Ostern 2023 konnte er neun Häftlinge taufen, erzählt er stolz. Darunter habe sich auch ein ehemaliger Soldat befunden, der in organisierte Kriminalität verwickelt war. Sein Taufgesuch wurde in der Häftlingsgemeinde kontrovers diskutiert. Schließlich änderte der Mann für alle sichtbar sein Verhalten. So stand der Taufe nichts mehr im Wege.
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Im Sudan ist ein militärischer Machtkampf zwischen Präsident Abdel Fattah al-Burhan und seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo ausgebrochen. Die Armee unter al-Burhans Kommando kämpft gegen die „Rapid Response Forces“ (RSF), eine paramilitärische Gruppierung, die von Daglo angeführt wird. Der Kampf weiter sich von Hauptstadt Khartum immer weiter aus; vereinbarte Waffenruhen halten nicht. Lokale Medien berichten von bislang fast 300 Toten und über 3000 Verletzten.
Kinga von Schierstaedt ist Projektreferentin beim weltweiten katholischen Hilfswerk KIRCHE IN NOT (ACN) und dort unter anderem für den Sudan zuständig. Sie berichtet im Interview über die aktuelle Lage.
KIRCHE IN NOT: Was berichten Ihre Kontaktpersonen über die Lage in der Hauptstadt Khartum?
Kinga von Schierstaedt: Ich habe vor kurzem mit einem Projektpartner im Norden von Khartum telefoniert. Ganz in seiner Nähe haben sich Militärs der RSF verschanzt. Während des Telefonats konnte ich Schüsse im Hintergrund hören. Khartum sei wie eine Geisterstadt, berichtete er, man sehe niemanden und höre keine Stimmen in der Nachbarschaft. Er und seine Mitbewohner trauen sich nicht mehr aus dem Haus. Die Lebensmittel gehen zur Neige, der Strom ist ausgefallen. Es herrscht Wassermangel. Tagsüber ist es momentan im Sudan bis zu 40 Grad heiß. Immer wieder fliegen Militärflugzeuge über sie hinweg, so der Projektpartner. Sie hätten Angst, von einem Blindgänger getroffen zu werden.
Worum geht es bei diesem Konflikt?
Die jetzige Eskalation ist das Ergebnis einer latenten Spannung, die zwischen Präsident al-Burhan und seinem Vize Daglo schon seit 2021 herrscht. Damals hatten beide zusammen gegen die Übergangregierung geputscht, die nach der Absetzung von Diktator Umar al-Baschir eingesetzt worden war. Es geht darum, wie und mit wem regiert werden soll, um Macht und die Eingliederung der RSF in die Armee als Schritt zu einer Zivilregierung.
Aber es gibt ein weiteres Motiv. Der Sudan ist Afrikas drittgrößter Gold-Produzent. Vizepräsident Daglo besitzt Goldminen im Norden des Sudan. Von dort gehen jährlich Milliarden Dollar in die Vereinigten Arabischen Emirate. Gleichzeitig unterhält auch die Armee eine Unmenge von Immobilien und Geschäften aller Art, die sie ungern einer zivilen Regierung übergeben möchte.
Sind die Kämpfe lokal, oder droht eine Ausweitung auf das ganze Land?
In der Hauptstadt sind die Kämpfe am stärksten. Es gibt auch Konfrontationen in den Städten Merowe im Norden, al-Ubayyid (El Obeid) im Süden und in der Gegend um Darfur im Westen. In al-Ubayyid wurde der Platz vor der katholischen Kathedrale zum Schlachtfeld, da sich direkt nebenan ein Camp der RSF befindet. Ein Sprengsatz zerschmetterte die Glasfenster der Kathedrale, ein anderer traf das Pfarrhaus. Gott sei Dank ist dem Pfarrer nichts passiert.
Wie ist die Lage für die katholische Kirche?
Die katholische Kirche im Sudan ist sehr klein, etwa 95 Prozent der Einwohner sind Muslime. Da es kein religiöser Konflikt ist, sind alle Bürger gleich betroffen. Die öffentlichen Gottesdienste am vergangenen Sonntag sind ausgefallen. Das Glaubensleben findet in den Krisenzonen nur mehr in den Privathäusern statt.
Was sind die absehbaren Folgen der jüngsten Kämpfe?
Einer unserer Projektpartner hat es so ausgedrückt: „Ich habe das Gefühl, es wird immer dunkler im Sudan“. Das Land war vorher schon in einer verzweifelten Lage. Der Konflikt lässt die Preise noch weiter steigen, während die Menschen kein Geld haben.
Zeichnet sich bereits eine größere Flüchtlingsbewegung ab?
Viele Menschen verlassen aktuell die umkämpften Städte und flüchten zu Verwandten und Bekannten auf dem Land. Noch haben wir keine Nachrichten von großen Flüchtlingswellen und Camps, aber es gibt auf jeden Fall eine Flucht aus den Städten heraus.
Besteht noch irgendeine Chance, diesen Konflikt einzudämmen?
Die Fronten sind momentan unglaublich verhärtet. Unsere Kontaktpersonen sagen: Wenn nicht eine der Gruppen nachgibt oder siegt, dann glauben sie leider nicht an ein schnelles Ende des Konflikts. Alle unsere Partner bitten um das Gebet; sie sagen mir: „Das Einzige, was uns jetzt Kraft geben kann, ist, wenn wir uns vom Gebet getragen wissen.“
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Verwendungszweck: Sudan
KIRCHE IN NOT: Wie sind die heutigen Häftlinge damals verurteilt worden?
Théogène Ngoboka: Sie wurden von aus Dorfältesten gebildeten traditionellen Volksgerichten, sogenannten Gacaca-Gerichten, verurteilt. Ursprünglich ermöglichten diese Gerichte die Bereinigung von Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Familienmitgliedern. Es handelte sich um eine Versammlung der Dorfbewohner unter dem Vorsitz der Dorfältesten, bei der jeder um das Wort bitten durfte.
Diese Gacaca-Gerichte wurden wieder ins Leben gerufen, um die erforderlichen Gerichtsverfahren der über 100 000 Menschen zu beschleunigen, die beschuldigt wurden, am Völkermord beteiligt gewesen zu sein.
Die Männer, die 29 Jahre später immer noch im Gefängnis sitzen, wollten die ihnen angelasteten Taten nicht gestehen oder sie haben mehrere Verbrechen begangen und ihre Strafen wurden zusammengefasst. Manche sind auch jene, die in diesem Völkermord die Befehle erteilten.
Sie sind Gefängnisseelsorger in dieser Haftanstalt. Was ist Ihre Aufgabe?
Ich habe ein ständiges Besuchsrecht. Zusammen mit Freiwilligen, die in der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden arbeiten, helfe ich jenen Häftlingen, die bald freigelassen werden, bei der Vorbereitung ihrer Entlassung. Tatsächlich ist es so, dass sie zwar gegenüber dem Gesetz ihre Strafe verbüßt haben, doch die Gesellschaft wird sie weiterhin verurteilen.
Wie helfen Sie diesen Menschen?
Es ist langer Prozess der Begleitung der Gefangenen und auch der Gemeinschaft, in die sie zurückkehren werden, damit sie gemeinsam den Weg der Versöhnung gehen. Wir bereiten die Häftlinge darauf vor, indem wir sie aufklären, dass es notwendig ist, dass sie um Vergebung bitten.
Wenn sie dazu bereit sind, schreiben sie an alle Menschen, die sie um Vergebung bitten wollen, einen Brief. Sie verpflichten sich dazu, ihr Verhalten zu ändern und drücken ihren Wunsch aus, harmonisch mit der Gemeinschaft zusammenzuleben. Die Leitung der Haftanstalt unterschreibt diese Briefe, um ihre Echtheit zu beglaubigen.
Die Briefe werden den überlebenden Familienangehörigen durch Priester oder die freiwilligen Helfer der entsprechenden Kirchengemeinde überbracht. Sie übernehmen es auch, die Absicht des Häftlings zu erklären. Dann entsteht ein Dialog, um die Gültigkeit der Aussagen zu überprüfen. So gibt es beispielsweise Briefe, in denen alle Informationen stehen, in anderen Briefen sind sie nicht vollständig. Die Überlebenden und Betroffenen führen andere Fakten auf. Die Kommission übernimmt es, all diese fehlenden Informationen festzuhalten und an den Häftling zurückzuschicken. Wir arbeiten als Vermittler, damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt.
Und was passiert, wenn die Wahrheit ans Licht gekommen ist?
Wenn der Überlebende bestätigt, dass der Brief wirklich vollständig ist, dann wird ihm vorgeschlagen, in die Haftanstalt zu kommen, um sich mit dem Häftling auszutauschen. Es gibt jeden Monat einen Tag, an dem wir diese Besuche mit dem Sozialdienst der Haftanstalt organisieren. Wir sind dabei immer Vermittler und nehmen an diesem Treffen teil. Dabei kommen starke Gefühle hoch.
Die Vergebung muss von der ganzen Familie akzeptiert werden, sowohl von den Familienmitgliedern des Überlebenden als auch von den Familienmitgliedern des Häftlings. Wir organisieren Treffen mit den Überlebenden und auf der anderen Seite mit den Familien der Häftlinge. Anschließend bringen wir beide Seiten zusammen.
Die meisten Menschen sind gläubig; innerhalb dieses Prozesses der Vergebung spielt der Glaube eine maßgebliche Rolle. Wir beten und tauschen uns über Bibeltexte aus. Wir laden auch Menschen ein, die diesen Vergebungsprozess bereits hinter sich haben, damit sie von ihren Erfahrungen berichten. Das ermutigt die anderen.
Das ist ein langwieriger Prozess …
Ja, deshalb beginnen wir damit drei Jahre vor der Entlassung. Auch wenn der Häftling freigelassen wurde, ist der Prozess noch nicht abgeschlossen. Wir verpflichten uns dazu, den Weg noch mindestens sechs Monate lang weiterzugehen, damit ehemalige Häftlinge und Betroffene ihre Angst überwinden können. Versöhnung geschieht nicht automatisch. Vertrauen muss aufgebaut werden.
Wir organisieren auch Pilgerfahrten nach Kibeho, einem Marienerscheinungsort in Ruanda, wohin wir Pfarreigruppen einladen. Jeder erzählt dann, welchen Weg er gegangen ist. Man tauscht sich aus. Jeder bestärkt sich selbst auf seinem Weg der Vergebung.
Nach sechs Monaten versucht die Kommission Gerechtigkeit und Frieden, den Stand der Versöhnung einzuschätzen. Wenn dieser Prozess erfolgreich verlaufen ist, organisiert die Kirche einen Tag der Einheit und der Versöhnung. Die ehemaligen Häftlinge gestehen in der Öffentlichkeit, was sie getan haben, und bitten um Vergebung. Auch die Betroffenen sprechen öffentlich ihre Vergebung aus.
Welchen Schwierigkeiten begegnen Sie dabei?
Dieses Verfahren erfordert große Anstrengungen. Auch 29 Jahre später sind die Verletzungen noch spürbar. Manche Menschen wollen nicht wieder mit den Wunden konfrontiert werden. Zahlreiche Menschen können immer noch nicht um ihre Angehörigen trauern, weil sie nicht wissen, wo sich deren Leichen befinden.
Glauben Sie, dass dieser Versöhnungsprozess ohne die Hilfe von Gott möglich wäre?
Nein. Vergebung ist ein Wunder, ein Geschenk Gottes. Vergebung ist eine gottgegebene Kraft. Viele Menschen fragen sich immer noch, warum Gott angesichts ihres Leids schweigt. Die Antwort auf diese Frage findet sich in dem Geheimnis, das wir am Karfreitag feiern: Gott war bei seinen leidenden Kindern, seinen verfolgten Gerechten, seinen abgeschlachteten Unschuldigen.
Vergessen wir nicht, dass nach dem Karfreitag das Osterfest kommt, das Zeichen des Sieges des Lebens über den Tod, das Zeichen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Jesus Christus.
Im Jahr 2021 wurden in der Diözese Cyangugu 154 Häftlinge begleitet und Treffen mit 98 Familien organisiert, die den Völkermord überlebt haben. KIRCHE IN NOT unterstützt die Arbeit der Nationalen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden bei der Ausbildung von 120 Priestern und Ordensleuten in den Bereichen Trauma-Sensibilisierung, aktives Zuhören und psycho-spirituelle Begleitung zur Stärkung der Resilienz der Gemeinschaft.
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Jedes Jahr freut sich Bischof Antoine Sabi Bio von Natitingou im Nordwesten Benins darüber, dass er jungen Männern die Priesterweihe spenden darf. Die Zahl der Berufungen steigt.
Am 7. Jänner 2023 empfingen Félix Simbianou et Méternich Zinsou in der Erlöserkathedrale von Natitingou die Priesterweihe. Hunderte Gläubige aus allen Pfarren der Diözese waren angereist, um an diesem großen Ereignis teilzunehmen.
Bereits vor der Weihe hatte uns der Bischof darum gebeten, ihn dabei zu unterstützen, die beiden neugeweihten Priester mit je einem Motorrad auszustatten. Dies ist für ihre zukünftige Arbeit unerlässlich, denn die Pfarren bestehen aus zahlreichen oft weit abgelegenen Ortschaften. Unsere Wohltäter haben 5.900 Euro dafür gespendet, und so konnten die beiden Neupriester am Tag ihrer Weihe je ein Motorrad erhalten, das ihnen ihren zukünftigen Dienst erleichtern wird. Die Freude war groß – auch unter den Gläubigen!
Die beiden neugeweihten Priester brachten in ihren Ansprachen sehr bewegt ihre Freude und Dankbarkeit gegenüber den Wohltätern von KIRCHE IN NOT zum Ausdruck und versprachen, für sie zu beten und die Motorräder in bestmöglicherweise für die Verkündigung der Frohen Botschaft einzusetzen. Auch der Bischof dankt allen, die geholfen haben: „Mit großer Freude richte ich diesen Brief an Euch, um Euch für die Unterstützung unserer pastoralen Arbeit zu danken. Möge der Herr es Euch hundertfach vergelten!“
Dschihadismus und Nationalismus sind die Hauptmotive für die zunehmende Verfolgung von Christen in zahlreichen Ländern weltweit. Das ist das zentrale Ergebnis der Dokumentation „Verfolgt und Vergessen? Ein Bericht über Christen, die ihres Glaubens wegen unterdrückt und verfolgt werden“, den das weltweite katholische Hilfswerk KIRCHE IN NOT veröffentlicht hat.
Der Bericht, den das britische Nationalbüro des Hilfswerks erstellt hat und der nun in deutscher Sprache vorliegt, dokumentiert für den Zeitraum 2020 bis 2022 die Entwicklungen im Hinblick auf die religiöse Verfolgung in Afrika, im Nahen Osten und Asien und geht anschließend auf Vorkommnisse in 22 Ländern ein, darunter China, Pakistan, Katar, Türkei oder Vietnam.
Der Bericht “Verfolgt und Vergessen?” liefert Zeugnisse aus erster Hand, vor allem von den Projektpartnern von KIRCHE IN NOT sowie öffentlich zugänglichen Quellen. Diese Beispiele belegten, dass Christenverfolgung Tag für Tag stattfinde, in einigen Weltregionen in steigendem Maße. Der Bericht möchte aufrütteln und zur Solidarität anspornen.
Der neue Bericht stellt fest, dass in 75 Prozent der untersuchten Länder die Unterdrückung und Verfolgung von Christen im Berichtszeitraum zugenommen hat. So breitet sich in Afrika der Dschihadismus vor allem in den Staaten der Sahel-Region immer weiter aus. Berichten zufolge starben allein in Nigeria zwischen Januar 2021 und Juni 2022 bis zu 7600 Christen durch terroristische Anschläge. Im Mai 2022 wurde ein Video veröffentlicht, das die Hinrichtung von 20 nigerianischen Christen durch die Terrorgruppe Boko Haram zeigt.
In Asien führen autoritäre Regime zu einer Verschärfung der Unterdrückung. Nordkorea steht hier seit Langem an der Spitze der Verfolgung, aber auch in China sind Christen immer größerer staatlicher Überwachung unterworfen. Besondere Sorge in dieser Weltregion macht der erstarkende ethno-religiöse Nationalismus. Beispiele sind Indien oder Sri Lanka, in denen hinduistische bzw. buddhistische Nationalistengruppen großen Einfluss haben. So wurden in Indien zwischen Januar 2021 und Juni 2022 mindestens 710 Vorfälle antichristlicher Gewalt gezählt; die Dunkelziffer dürfte weit größer sein.
Im Nahen Osten ist dem Bericht zufolge die Auswanderungswelle der christlichen Bevölkerung infolge der wirtschaftlichen Not und der Auswirkungen des Syrienkriegs nach wie vor nicht gestoppt. In Syrien ist die Zahl der Christen von zehn Prozent der Bevölkerung kurz vor Kriegsbeginn auf heute weniger als zwei Prozent gesunken. Im Irak hat sich die Zahl der Christen seit 2014 halbiert, wenngleich kleine Fortschritte in der Anerkennung der Rechte der christlichen Minderheit gemacht werden konnten.
„Verfolgt und vergessen?“ dokumentiert auch die zahlreichen Entführungen von Mädchen und jungen Frauen in Ländern wie Pakistan oder Ägypten, die vorrangig auf das Konto radikaler Islamisten gehen. Der Bericht zeigt in zahlreichen Bildern und Beispielen auch den Einsatz von „Kirche in Not“ für bedrängte Christen weltweit.
„,Verfolgt und vergessen?’ ist wie ein Kompendium und Motor unseres Einsatzes für die Kirche, die auch im 21. Jahrhundert in Not ist“, sagt Herbert Rechberger, Nationaldirektor von “Kirche in Not” – Österreich. „Unsere Glaubensgeschwister brauchen uns; das zeigt der Bericht einmal mehr denn je.“
Am 8. März, dem Weltfrauentag, hat Papst Franziskus bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz die beiden nigerianischen Christinnen Maryamu Joseph (19) und Janada Marcus (22) begrüßt. Beide hatten durch die Terroreinheit Boko Haram schwere Misshandlungen erfahren. Sie waren auf Einladung des italienischen Büros von KIRCHE IN NOT nach Rom gekommen. Fotos zeigen, wie Papst Franziskus mit den beiden Frauen spricht und sie segnet.
Darüber hinaus wurden die Christinnen von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und von Außenminister Antonio Tajani empfangen.
Eine der beiden Frauen, Janada Marcus, hat mit KIRCHE IN NOT über ihr Leid gesprochen.
KIRCHE IN NOT: Janada, Sie und Ihre Familien waren bereits zweimal vor Boko Haram geflohen, als sie sich in Maiduguri in Nordnigeria niederließen. Was geschah dann?
Maryamu Joseph: Mein Vater hatte ein Stück Land in der Nähe von Maiduguri gekauft und wir waren froh, dass der Albtraum der Flucht vorbei war. Aber dann kam der 20. Oktober 2018 – der Tag, an dem die Sonne aus unserem Leben verschwand.
Was passierte?
Wir waren gerade bei der Arbeit auf unserem Bauernhof und sangen Lieder. Plötzlich waren wir von Männern von Boko Haram umzingelt. Sie richteten eine Machete auf meinen Vater. Sie sagten ihm, sie würden uns freilassen, wenn er mit mir Sex hätte. Während die Machete auf die Stirn meines Vaters zielte, sah er mich und meine Mutter an. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Ich schämte mich für das, was die Männer vorgeschlagen hatten.
Wie reagierte Ihr Vater?
Er senkte den Kopf und antwortete: „Ich kann nicht mit meiner eigenen Tochter schlafen. Lieber sterbe ich, als so eine Gräueltat zu begehen.“ Da nahm einer der Männer die Machete und enthauptete meinen Vater. Ich flehte Gott an, auch mein Leben zu nehmen. Ich war schon eine lebendige Tote.
Sie haben diesen Angriff überlebt. Aber das war noch nicht das Ende des Schreckens …
Zwei Jahre später, im November 2020, war ich auf dem Weg zu einer Behörde, als ich erneut von Boko-Haram-Kämpfern überfallen wurde. Sie verschleppten mich und folterten mich, sechs Tage lang. Es kam mir wie sechs Jahre vor. Ich kann nicht beschreiben, was ich erlebt habe. Dann ließen sie mich frei. Ich ging zurück zu meiner Mutter. Sie brachte mich dann ins Traumazentrum der katholischen Diözese Maiduguri.
Wie war es im Traumzentrum?
Ich wurde erstmal zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht. Es folgte ein halbes Jahr mit intensiven Therapiegesprächen und geistlicher Betreuung. Ich habe gelernt, meine Vergangenheit zu verarbeiten – die Kunst, heil zu werden, indem ich meinen Schmerz loslasse. Mein Glaube ist stärker geworden. Inzwischen bin ich wieder auf den Beinen und habe mich jetzt in einer weiterführenden Schule eingeschrieben.
Sie sagen, Ihr Glaube sei stärker geworden. Was meinen Sie damit?
Meine schrecklichen Erfahrungen haben mich erst von Gott weggeführt. Ich fragte: Wo war Gott, als mein Vater getötet wurde? Wo war er, als ich Folter und Qualen durchleben musste? Nach meinem Heilungsprozess weiß ich, dass Gott auch im Leid da ist. Boko Haram hat mir so Schlimmes angetan. Ich kann selbst nicht glauben, dass ich das sage: Aber ich haben meinen Peinigern vergeben und bete für die Erlösung ihrer Seelen.
Das Traumazentrum der Diözese Maiduguri wurde mit Hilfe von KIRCHE IN NOT gebaut. Dort können bis zu 40 traumatisierte Frauen und Mädchen psychologisch und seelsorgerisch betreut werden.
Auf das Schicksal entführter und missbrauchter Frauen und Mädchen in Nigeria, Pakistan, Ägypten, Irak und andernorts macht eine Fallstudie von KIRCHE IN NOT mit dem Titel „Hört Ihre Schreie“ aufmerksam. Sie kann hier bei uns bestellt werden.
Unterstützen Sie die Arbeit der Kirche in Nigeria und ihren Einsatz für die Betroffenen von Gewalt und Terror mit Ihrer Spende – online … hier oder auf folgendes Konto:
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Weihbischof aus Maiduguri sieht Nigeria im Umfeld der Präsidentschaftswahlen „noch nie so geteilt wie jetzt – entlang religiöser, ethnischer und regionaler Grenzen. Das ist ein Versagen der Politik, die es versäumt hat, Menschen zusammenzubringen.“
Im Gespräch mit KIRCHE IN NOT betonte der Weihbischof, dass die internationale Gemeinschaft in der aktuellen Katastrophenlage helfen könne, „dass Rechtsstaatlichkeit und Religionsfreiheit eingehalten werden. Die Weltgemeinschaft kann Druck auf unsere Regierung ausüben, damit sie all das wahrnimmt.“ Nigeria sei „in gewisser Weise ein Entwicklungsland, dem beim Regieren geholfen werden muss“.
Bakeni ist seit Sommer 2022 Weihbischof im Bistum Maiduguri im Nordosten Nigerias. Die Region im Bundesstaat Borno gilt als Ursprungsregion der Terrorgruppe „Boko Haram“. Mittlerweile sei es dort etwas sicherer geworden, aber es handle sich nach wie vor um einen „Guerillakrieg. Besonders in den Dörfern ist die Lage noch angespannt, weil die Boko-Haram-Einheiten in den Busch und die Wälder zurückgedrängt werden konnten.“
Muslime und Christen, die in der Region einen Anteil von etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, lebten „Seite an Seite zusammen. Wir gehen auf denselben Markt, ins selbe Krankenhaus. Es gibt einen Dialog des Lebens.“
Es sei jedoch ebenso falsch, in den Medien und der Öffentlichkeit vereinfachend von „Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen“ in Nigeria zu sprechen. Die Konflikte hätten zwar eine religiöse Dimension, aber es spielten auch politische, ethnische und weitere Faktoren eine Rolle.
Dennoch werde besonders in Nordnigeria von Regierungsseite versucht, „Christen zu unterdrücken, zu verfolgen, zu diskriminieren und vom politischen und gesellschaftlichen Leben auszuschließen“, erklärte der Weihbischof.
Das gelte auch im Konflikt zwischen Bauern und Hirten in weiten Teilen Nigerias. Durch die klimatischen Veränderungen fänden die Hirten immer weniger Weideland: „Also mussten sie ins Hinterland ziehen, und das schafft zwangsläufig Konflikte“, sagte Weihbischof Bakeni.
Neben dem Landkonflikt gebe es jedoch auch hierbei „eine Islamisierungsagenda. Dessen muss sich die internationale Gemeinschaft bewusst sein. Manchmal wollen es die Verantwortlichen nicht hören. Aber für uns, die wir in dieser Realität leben, ist das alles sehr klar.“
Als besonders problematisch bezeichnete Bakeni das traditionelle islamische Bildungssystem „Almajiri“. Dabei handelt es sich um „wandernde“ Koranschulen, für die „kleine Kinder schon im sehr zarten Alter ihre Elternhäuser verlassen. Sie werden rein auf islamistischer Grundlage ausgebildet.“
Diese jungen Menschen würden zu einer leichten Beute von „Boko Haram“ und anderen radikalen Strömungen. „Sie werden sogar von Politikern während der Wahlkampf-Kampagnen benutzt“, berichtete Bakeni. Den staatlichen und kirchlichen Schulen komme deshalb eine wichtige Bedeutung zu, um der Radikalisierung entgegenzuwirken.
In dieser schwierigen Situation seien für die katholischen Christen Nordnigerias Gebet, Anbetung und Gemeindeleben essenziell, betonte der Weihbischof. „Wir brauchen den spirituellen Rückhalt. Wir haben bisher so viel erlitten. Aber all das hat uns angespornt, unser Leben aus dem Glauben zu stärken. Ich danke allen Wohltätern von KIRCHE IN NOT, die uns dabei unterstützen.“
Nach den Präsidentschaftswahlen in Nigeria hat die Wahlkommission Bola Tinubu von der Regierungspartei All Progressives Congress (APC) zum Sieger erklärt. Fast 90 Millionen Wahlberechtigte waren am 25. Februar aufgerufen, den Nachfolger von Präsident Muhammadu Buhari zu wählen, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte.
Der Urnengang war Medienberichten zufolge größtenteils friedlich verlaufen. Viele Wahllokale hatten jedoch mit organisatorischen Problemen zu kämpfen, was die Bekanntgabe der Wahlergebnisse verzögerte. Beobachter erwarten im Nachgang weitere Auseinandersetzungen.
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Mit drastischen Worten hat ein Missionar aus der Demokratischen Republik Kongo angeprangert, dass die internationale Gemeinschaft zu wenig gegen die Gewalt im Osten des afrikanischen Landes unternehme.
„Was uns als Missionare oft empört, ist das Schweigen der internationalen Gemeinschaft, während Menschen abgeschlachtet werden“, sagte der aus Portugal stammende Comboni-Missionar Pater Marcelo Oliveira in einem Gespräch mit KIRCHE IN NOT.
Wie er weiter erklärte, komme es in der Region Nord-Kivu an der Grenze zu Uganda häufig zu Anschlägen. Dabei griffen Rebellen Dörfer an und versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. „Die Menschen müssen ständig aus ihren Dörfern fliehen, sich im Wald verstecken und darauf warten, dass [die Rebellen] die Dörfer verlassen“, berichtete der Missionar, der seit mehreren Jahren in der Demokratischen Republik Kongo lebt.
„Die Methode besteht darin, die Menschen in die Flucht zu schlagen, um sich an ihr Land zu kommen, das sehr reich an Bodenschätzen ist. … Heute ist dieses Dorf dran, das nächste Mal ein anderes, und das alles geschieht in aller Stille.“
Die Gewalt richtet sich dabei auch gezielt gegen Christen. Am 15. Jänner wurde auf eine protestantische Kirche in Kasindi in der Provinz Nord-Kivu ein Terroranschlag verübt. Anhänger der Rebellengruppe „Alliierte Demokratische Kräfte“ (ADF) hatten eine Bombe in einer vollbesetzten Kirche deponiert und gezündet. Mindestens 15 Menschen kamen dabei ums Leben.
Seit Jahren wird das rohstoffreiche Grenzgebiet zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem Nachbarland Uganda von Rebellen der Miliz ADF überrannt. Die ADF wird von Jamil Mukulu angeführt, einem zum Islam konvertierten ehemaligen Christen. Dem kongolesischen Militär und der UN-Friedensmission MONUSCO gelingt es nicht, die Region zu befrieden.
Die Provinz Nord-Kivu gilt als Epizentrum der Gewalt. Menschenrechtsorganisationen zufolge ereignet sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo die am längsten dauernde humanitäre Krise Afrikas. In der Region lagern Gold, Diamanten, Kobalt und Coltan in der Erde. Dabei handelt es sich um wichtige Rohstoffe, zum Beispiel für die IT- oder Fahrzeugindustrie.
Ab dem 31. Jänner bereist Papst Franziskus die Demokratische Republik Kongo und Südsudan. Allerdings sind keine Termine in der Region Nord-Kivu im Besuchsprogramm vorgesehen.
Empfänger: KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
Verwendungszweck: Demokratische Republik Kongo
Im Jahr 2022 sind weltweit mindestens 17 Priester und Ordensleute der katholischen Kirche eines gewaltsamen Todes gestorben. Insgesamt wurden mehr als 100 Priester und Ordensschwestern entführt, verhaftet oder getötet. Das geht aus einer Aufstellung des weltweiten katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ (ACN) zum Jahresende hervor.
Demnach wurden in Nigeria 2022 vier Priester umgebracht. Darüber hinaus wurden in Mexiko drei Priester von Mitgliedern der Drogenkartelle ermordet. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo wurden zwei Geistliche erschossen.
Im Jahr 2022 wurden nach den „Kirche in Not“ vorliegenden Informationen auch fünf Ordensschwestern in Ausübung ihrer Mission ermordet: Schwester Luisa Dell’Orto im Juni in Haiti, die Schwestern Mary Daniel Abut und Regina Roba im August im Südsudan, Schwester Mari de Coppi im September in Mosambik sowie Schwester Marie-Sylvie Vakatsuraki im Oktober in der Demokratischen Republik Kongo.
2022 wurden nach Kenntnis von „Kirche in Not“ insgesamt 42 Priester in verschiedenen Ländern entführt, von denen 36 wieder freigelassen wurden. Drei in Nigeria entführte Priester wurden ermordet, und drei weitere Geistliche werden noch immer vermisst: zwei in Nigeria und der deutsche Missionar Pater Hans-Joachim Lohre, ein Projektpartner von „Kirche in Not“, der im November in Mali verschleppt wurde.
Nigeria führt die Liste mit insgesamt 28 Entführungen im Jahr 2022 an. Kamerun folgt mit sechs Entführungen; dort waren im September fünf Priester auf einmal verschleppt und fünf Wochen später wieder freigelassen worden. In Äthiopien, Mali und auf den Philippinen wurde jeweils ein Priester entführt.
Haiti hat sich zu einem der gefährlichsten Orte in Mittelamerika entwickelt: Fünf Priester wurden dort im Laufe des Jahres kriminellen Banden entführt, wobei alle inzwischen wieder freigelassen wurden.
Ebenfalls in Nigeria wurden im zu Ende gehenden Jahr die meisten Ordensfrauen verschleppt: „Kirche in Not“ hat von sieben Entführungen Kenntnis erhalten. In Burkina Faso wurde eine Schwester, in Kamerun – zusammen mit den fünf oben erwähnten Priestern – noch eine weitere Ordensfrau entführt. Glücklicherweise wurden alle diese Ordensschwestern später wieder freigelassen.
Außerdem sind im Jahr 2022 nach Informationen von „Kirche in Not“ mindestens 32 Geistliche in Ausübung ihres Dienstes festgenommen und inhaftiert worden. Die jüngsten Fälle betreffen vier Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, die im von Russland besetzten Teil der Ukraine tätig sind. Zwei von ihnen wurden inzwischen freigelassen und in das ukrainische Hoheitsgebiet „abgeschoben“, zwei weitere befinden sich weiterhin in Haft und sollen möglicherweise wegen „Terrorismus“ angeklagt werden. Es steht zu befürchten, dass sie in der Haft gefoltert werden, wie lokale Ansprechpartner berichten.
Große Sorgen macht sich „Kirche in Not“ um die Lage in Nicaragua, wo die Regierung massiv gegen die katholische Kirche vorgeht. Dort wurden im zu Ende gehenden Jahr elf Mitglieder des Klerus verhaftet. Es handelt sich um zwei Seminaristen, einen Diakon, einen Bischof und sieben Priester. Bischof Rolando Alvarez aus Matagalpa, der derzeit unter Hausarrest steht, soll am 10. Januar 2023 wegen „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ vor Gericht gestellt werden. „Kirche in Not“ hat auch Berichte erhalten über Priester in Nicaragua, denen es nicht erlaubt ist, ihre Gemeinden zu verlassen, und über mindestens zehn Geistliche, die von der Regierung an der Rückkehr in das Land gehindert werden.
Ein weiterer aktueller Fall betrifft die Inhaftierung eines Bischofs und zweier Priester in Eritrea. Zwei Monate sind seit ihrem Verschwinden vergangen, ohne dass die Behörden etwas dazu erklärt hätten.
Wie viele katholische Priester und Bischöfe im Jahr 2022 in China festgenommen wurden, lässt sich kaum abschätzen. Nach den von „Kirche in Not“ zusammengetragenen Informationen werden Geistliche aus der Untergrundkirche immer wieder für einige Zeit von den Behörden verschleppt, um sie zu drängen, sich der staatlich anerkannten Kirche anzuschließen. Ein Beispiel ist das Verschwinden von mindestens zehn Priestern, die alle der Untergrundgemeinde von Baoding etwa 160 Kilometer südwestlich von Peking angehören, im Zeitraum von Januar bis Mai 2022.
Darüber hinaus wurde ein Priester in Myanmar während der Proteste gegen das Regime verhaftet. Mehrere Ordensschwestern und zwei Diakone wurden in Äthiopien während des Tigray-Konflikts Ende 2021 verhaftet und 2022 wieder freigelassen.
„Kirche in Not“ ruft die beteiligten Länder auf, alles zu tun, um die Sicherheit und Freiheit von Priestern, Ordensschwestern und anderen pastoralen Mitarbeitern zu gewährleisten, die sich in den Dienst der Bedürftigsten stellen. Das internationale Hilfswerk bittet auch alle Freunde und Wohltäter, für diejenigen zu beten, die noch in Gefangenschaft sind, sowie für die Gemeinden und Familien derjenigen, die ihr Leben verloren haben.
Empfänger: KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
Verwendungszweck: Verfolgte Christen