„Es wird immer dunkler im Sudan“ - KIRCHE IN NOT Österreich
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„Es wird immer dunkler im Sudan“

„Es wird immer dunkler im Sudan“

Projektreferentin von KIRCHE IN NOT berichtet über aktuelle Eskalation

24.04.2023 aktuelles

Im Sudan ist ein militärischer Machtkampf zwischen Präsident Abdel Fattah al-Burhan und seinem Vize Mohammed Hamdan Daglo ausgebrochen. Die Armee unter al-Burhans Kommando kämpft gegen die „Rapid Response Forces“ (RSF), eine paramilitärische Gruppierung, die von Daglo angeführt wird. Der Kampf weiter sich von Hauptstadt Khartum immer weiter aus; vereinbarte Waffenruhen halten nicht. Lokale Medien berichten von bislang fast 300 Toten und über 3000 Verletzten.

Kinga von Schierstaedt ist Projektreferentin beim weltweiten katholischen Hilfswerk KIRCHE IN NOT (ACN) und dort unter anderem für den Sudan zuständig. Sie berichtet im Interview über die aktuelle Lage.

Kinga von Schierstaedt, Projektreferentin von KIRCHE IN NOT für Afrika.
Kinga von Schierstaedt, Projektreferentin von KIRCHE IN NOT für Afrika.

KIRCHE IN NOT: Was berichten Ihre Kontaktpersonen über die Lage in der Hauptstadt Khartum?

Kinga von Schierstaedt: Ich habe vor kurzem mit einem Projektpartner im Norden von Khartum telefoniert. Ganz in seiner Nähe haben sich Militärs der RSF verschanzt. Während des Telefonats konnte ich Schüsse im Hintergrund hören. Khartum sei wie eine Geisterstadt, berichtete er, man sehe niemanden und höre keine Stimmen in der Nachbarschaft. Er und seine Mitbewohner trauen sich nicht mehr aus dem Haus. Die Lebensmittel gehen zur Neige, der Strom ist ausgefallen. Es herrscht Wassermangel. Tagsüber ist es momentan im Sudan bis zu 40 Grad heiß. Immer wieder fliegen Militärflugzeuge über sie hinweg, so der Projektpartner. Sie hätten Angst, von einem Blindgänger getroffen zu werden.

Worum geht es bei diesem Konflikt?

Die jetzige Eskalation ist das Ergebnis einer latenten Spannung, die zwischen Präsident al-Burhan und seinem Vize Daglo schon seit 2021 herrscht. Damals hatten beide zusammen gegen die Übergangregierung geputscht, die nach der Absetzung von Diktator Umar al-Baschir eingesetzt worden war. Es geht darum, wie und mit wem regiert werden soll, um Macht und die Eingliederung der RSF in die Armee als Schritt zu einer Zivilregierung.

Aber es gibt ein weiteres Motiv. Der Sudan ist Afrikas drittgrößter Gold-Produzent. Vizepräsident Daglo besitzt Goldminen im Norden des Sudan. Von dort gehen jährlich Milliarden Dollar in die Vereinigten Arabischen Emirate. Gleichzeitig unterhält auch die Armee eine Unmenge von Immobilien und Geschäften aller Art, die sie ungern einer zivilen Regierung übergeben möchte.

Straßenansicht in der sudanesischen Hauptstadt Khartum.

Sind die Kämpfe lokal, oder droht eine Ausweitung auf das ganze Land?

In der Hauptstadt sind die Kämpfe am stärksten. Es gibt auch Konfrontationen in den Städten Merowe im Norden, al-Ubayyid (El Obeid) im Süden und in der Gegend um Darfur im Westen. In al-Ubayyid wurde der Platz vor der katholischen Kathedrale zum Schlachtfeld, da sich direkt nebenan ein Camp der RSF befindet. Ein Sprengsatz zerschmetterte die Glasfenster der Kathedrale, ein anderer traf das Pfarrhaus. Gott sei Dank ist dem Pfarrer nichts passiert.

Wie ist die Lage für die katholische Kirche?

Die katholische Kirche im Sudan ist sehr klein, etwa 95 Prozent der Einwohner sind Muslime. Da es kein religiöser Konflikt ist, sind alle Bürger gleich betroffen. Die öffentlichen Gottesdienste am vergangenen Sonntag sind ausgefallen. Das Glaubensleben findet in den Krisenzonen nur mehr in den Privathäusern statt.

Die katholische Kathedrale in Khartum.

Was sind die absehbaren Folgen der jüngsten Kämpfe?

Einer unserer Projektpartner hat es so ausgedrückt: „Ich habe das Gefühl, es wird immer dunkler im Sudan“. Das Land war vorher schon in einer verzweifelten Lage. Der Konflikt lässt die Preise noch weiter steigen, während die Menschen kein Geld haben.

Zeichnet sich bereits eine größere Flüchtlingsbewegung ab?

Viele Menschen verlassen aktuell die umkämpften Städte und flüchten zu Verwandten und Bekannten auf dem Land. Noch haben wir keine Nachrichten von großen Flüchtlingswellen und Camps, aber es gibt auf jeden Fall eine Flucht aus den Städten heraus.

Besteht noch irgendeine Chance, diesen Konflikt einzudämmen?

Die Fronten sind momentan unglaublich verhärtet. Unsere Kontaktpersonen sagen: Wenn nicht eine der Gruppen nachgibt oder siegt, dann glauben sie leider nicht an ein schnelles Ende des Konflikts. Alle unsere Partner bitten um das Gebet; sie sagen mir: „Das Einzige, was uns jetzt Kraft geben kann, ist, wenn wir uns vom Gebet getragen wissen.“

Um den notleidenden Christen im Sudan weiterhin helfen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online … hier oder auf folgendes Konto:

 

Empfänger: KIRCHE IN NOT
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Verwendungszweck: Sudan

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