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Die Weltöffentlichkeit schaut schockiert auf die Lage in Belarus. Gewaltsam unterdrückte Proteste und Sanktionen prägen das Bild. Hinzu kommt, dass Belarus auch von der Corona-Krise schwer getroffen wurde. In der aktuell angespannten Situation hat auch die katholische Minderheit des Landes Repressalien zu erdulden. Internationale Bekanntheit erlangte der Fall des Minsker Erzbischofs Tadeusz Kondrusiewicz, dem nach Kritik an der politischen Führung monatelange die Wiedereinreise nach Belarus verweigert worden war.

Wie die Kirche trotzdem für die Menschen da ist – und warum in der aktuellen Situation sogar eine Chance für die ökumenische Annäherung liegt, darüber hat das weltweite kirchliche Hilfswerk KIRCHE IN NOT (ACN) mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Belarus, Msgr. Aleh Butkewitsch, gesprochen. Der 49-Jährige leitet seit 2014 die Diözese Vitebsk im Norden von Belarus.

Bischof Aleh Butkevich

KIRCHE IN NOT: Belarus geht durch eine schwere Krise. Wie versucht die Kirche in dieser Zeit für die Menschen da zu sein?

Die Kirche muss angesichts der Prozesse, die in der Gesellschaft vor sich gehen, reagieren und kann nicht gleichgültig bleiben – schließlich sind an ihnen dieselben Menschen beteiligt, die mehrheitlich auch der Kirche angehören. Deshalb versucht die Kirche, ihre Herzen zu erreichen, indem sie sie zu Frieden und Versöhnung aufruft sowie zum Dialog, um die Probleme zu lösen. Wir bieten auch alle mögliche Hilfe an: geistliche, psychologische und manchmal auch materielle Unterstützung für Menschen, die sich in einer besonders schwierigen Situation befinden.

Gibt es auch Beeinträchtigungen der kirchlichen Arbeit?

Im Prinzip hat die Krisensituation den Dienst der Kirche nicht ernsthaft behindert oder eingeengt, mit Ausnahme von Einschränkungen bei der Übertragung von Gottesdiensten und, in einigen Fällen, einer verstärkten behördlichen Kontrolle der Aktivitäten einzelner Priester und Pfarreien.

Welche Gefühle prägen die Gläubigen angesichts der gegenwärtigen Lage?

Die bestehende Situation hat eine zusätzliche Motivation geschaffen, das Gebet zu verstärken und oft auch die eigenen Ansichten über die Beziehung zu Gott und den Menschen zu überdenken. Im Allgemeinen führen solche Situationen in der Regel zu einer Vertiefung des Glaubens.

Demonstrantinnen in Weißrussland. (Foto: Witalij Poliniewski/Catholic.by)

Wie hat sich die Corona-Pandemie in Belarus ausgewirkt und was hat die Kirche getan, um die Folgen zu lindern?

Wie überall auf der Welt hatte die Covid-19-Epidemie auch in Belarus einen negativen Einfluss auf das öffentliche Leben und die wirtschaftliche Situation. Die Kirche ist eine der ersten Institutionen gewesen, die auf das Auftreten der Epidemie reagiert hat. Wir haben Sicherheitsmaßnahmen in Form von Desinfektionsmöglichkeiten in Kirchen, Maskenpflicht bei Gottesdiensten und Einhaltung der sozialen Distanz getroffen. In der Folge wurden Projekte organisiert, um medizinische Organisationen bei der Anschaffung der notwendigen Schutz- und Präventionsausrüstungen zu unterstützen. Die Zahl der Online-Übertragungen von Gottesdiensten in Gemeinden hat zugenommen. Hier hat uns KIRCHE IN NOT sofort unter die Arme gegriffen.

Die Mehrheit der Bewohner von Belarus gehört der orthodoxen Kirche an. Wie würden Sie das Verhältnis zur orthodoxen Kirche beschreiben? Gibt es eine etablierte Ökumene, auch angesichts der gesellschaftlichen Fragen?

Die Beziehungen zur orthodoxen Kirche, aber auch zu Vertretern anderer Konfessionen und Religionen sind friedlich. In den meisten Fällen, vor allem auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen, wie zum Beispiel in konfessionsgemischten Familien, würde ich sie als freundschaftlich bezeichnen. Jegliche interkonfessionellen und interreligiösen Unterscheidungen lösen sich praktisch auf, wenn es um die Rettung des Menschen geht. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Epidemie also bis zu einem gewissen Grad als ein Faktor betrachtet werden, der die Menschen eher verbindet als trennt.

Protestmarsch in Minski (Foto: Witalij Poliniewski/Catholic.by)

Sehr viele katholische Priester in Belarus stammen aus dem Ausland, zum Beispiel aus Polen. Stellt sie das vor Probleme – etwa bei der Visavergabe? Gibt es sprachliche Barrieren gegenüber den Gemeinden?

Mittlerweile ist die Mehrheit unserer Priester aus Belarus. Aber wir sind noch weit davon entfernt, auf die Hilfe von Priestern aus dem Ausland verzichten zu können. Wir sind gerade den polnischen Priestern für ihre langjährige und selbstlose Arbeit in unserem Land sehr dankbar. Ihr Dienst wird dadurch erschwert, dass sie regelmäßig – einmal im Jahr oder sogar halbjährlich – die Genehmigung für die seelsorgerische Tätigkeit einholen müssen. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, dass sie diese Erlaubnis ohne Angabe von Gründen verlieren. Was die Frage der Sprache in der heiligen Messe betrifft, so gibt es kein Problem. Bei den ausländischen Geistlichen existieren keine Sprachbarrieren.

Wie könnte die katholische Weltkirche ihre Verbundenheit mit den Menschen in Belarus zum Ausdruck bringen?

Es gibt bereits Unterstützung durch die Weltkirche für Belarus – vor allem das Gebet vieler Orden, Kongregationen, Pfarreien und Einzelpersonen. Vor allem schätzen wir das Gebet und das Gedenken von Papst Franziskus, der besorgt ist über das, was in unserem Land geschieht. Diese geistige Einheit ist für uns eine wesentliche Stütze in der aktuellen Situation. Es gibt diplomatische Versuche der Vertretung des Heiligen Stuhls in Belarus, um den Menschen in dieser schwierigen Situation zu helfen, eine friedliche Lösung der Krise in unserem Land herbeizuführen und seine Situation in der Weltgemeinschaft positiv zu beeinflussen.

Was ist Ihre Botschaft an die Wohltäter von KIRCHE IN NOT?

Allen Wohltätern von KIRCHE IN NOT gilt in erster Linie unser großer Dank für die langjährige Unterstützung, sowohl bei der Restaurierung von Kirchengebäuden als auch für die Hilfe, damit Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften ihre Arbeit erfüllen können. Ohne diese Hilfe in pastoralem und sozialem Bereich wären wir nicht da, wo wir heute sind. Wir unsererseits versichern Ihnen, unablässig zu beten und um Gottes Lohn für die Freundlichkeit und Offenheit Ihrer Herzen zu bitten!

Um den Christen in Belarus weiterhin helfen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online … hier oder auf folgendes Konto:

 

Empfänger: KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
Verwendungszweck: Belarus

Infolge der Massenproteste und gewaltsamen Auseinandersetzungen nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus setzen sich die Repressalien gegen die Arbeit der Kirche weiter fort. So teilte die römisch-katholische Kirche in Belarus auf ihrem Internetportal mit, dass Ende August bislang unbekannte Täter an Büroräumen der Pfarre St. Simon und St. Helena in Minsk die Schlösser ausgetauscht hätten. Einige Tage zuvor sei der Pfarre der Strom abgestellt worden und Sicherheitsbeamte hätten den Zugang zur Kirche blockiert.
Eine Frau trägt bei den Protesten in Minsk eine Ikone.

Gebete für Rückkehr von Erzbischof Kondrusiewicz

Die Pfarre St. Simon und St. Helena ist ein wichtiges geistliches Zentrum der belarussischen Hauptstadt. Am 5. September hatten sich dort mehrere hundert Menschen versammelt, um für die Einheit des Landes und die Opfer der Massenproteste zu beten, darunter auch Vertreter ausländischer Botschaften und anderer Religionen. Für den 11. September ist ein stadtweiter Kreuzweg angekündigt, bei dem die katholischen Gläubigen um die Rückkehr ihres Erzbischofs Tadeusz Kondrusiewicz beten wollen.

Wie zahlreiche internationale Medien berichteten, war dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz in Belarus und Erzbischof von Minsk-Mahiljou am 31. August an der polnisch-belarussischen Grenze die Wiedereinreise verweigert worden. Osteuropa-Referentin Magda Kaczmarek vom weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ erklärte dazu: „Wir müssen daran denken, dass Erzbischof bereits 74 Jahre und nicht völlig gesund ist. Eine solche Behandlung kann negative Folgen auf seinen Gesundheitszustand haben.“ Kondrusiewicz hatte im August die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten öffentlich kritisiert.

Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz

„Ein Bruder hat seine Hand gegen den anderen Bruder erhoben“

Aus seinem „Exil“ in Polen hat sich der Erzbischof vergangene Woche an die Gläubigen und „alle Menschen guten Willens“ gewandt. Er bat sie um das Gebet für eine Lösung der gesellschaftspolitischen Krise, die er als „beispiellos“ bezeichnete. „In diesem Land, das in der Welt als friedlich und gemäßigt angesehen wird“ habe ein Bruder „seine Hand gegen den anderen Bruder erhoben.“

Der Erzbischof rief zu „Vergebung und Barmherzigkeit“ auf. Er regte an, im September in allen Kirchen des Landes um die Fürsprache des Erzengels Michael, des Schutzpatrons von Belarus, zu beten, um eine „Verschlimmerung des Konflikts aufzuhalten und schnellstmöglich eine Lösung zu finden.“ Eine Statue des Erzengels Michael wird alle vier katholischen Diözesen des Landes besuchen. Über eine Million der 9,5 Millionen Belarussen gehören der römisch-katholischen Kirche an, rund 10 000 der unierten griechisch-katholischen Kirche. „Kirche in Not“ ruft zu Gebet und Hilfe für die Menschen in Belarus auf.

Frau überreicht Blumen bei einer Demonstration.

Um die Arbeit der katholischen Kirche in Belarus weiterhin unterstützen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online … hier oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
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Verwendungszweck: Belarus

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  • Weißrussland: „Die Menschen haben Sehnsucht nach Demokratie“

Seit Tagen gehen die Menschen in Weißrussland (Belarus) auf die Straßen. Auslöser der Proteste war das Ergebnis der Wahl am 9. August, bei der der langjährige Präsident Alexander Lukaschenko als Sieger hervorging. Die Sicherheitskräfte sind anfangs rabiat gegen die Demonstranten vorgegangen. Es gab viele Festnahmen und Misshandlungen. Doch die Proteste der Weißrussen halten an.

In einem Interview schildert die Projektreferentin für Weißrussland von KIRCHE IN NOT, Magda Kaczmarek, die Lage in dem osteuropäischen Land.

Der Wahlausgang vom 9. August hat zu schweren Krawallen geführt. Medien haben Bilder vom rigiden Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten gezeigt. Ist eine weitere Eskalation zu befürchten?

Die weißrussische Gesellschaft war mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Unruhen und Spannungen waren schon davor zu beobachten. Das war der Grund, warum die Menschen auf die Straßen gegangen sind. Anfangs waren es Auseinandersetzungen mit Gewalt und Aggression gegen die Protestierenden, Tausende von ihnen wurden festgenommen, viele brutal geschlagen. Laut lokalen Medien sind erst einige Hunderte entlassen worden.

Seit einigen Tagen haben sich die Spezialeinheiten der Miliz zurückgezogen; und die Demonstrationen können friedlich verlaufen. Solche Proteste gab es bis jetzt in der Geschichte von Belarus noch nie.

Demonstrantinnen in Weißrussland. (Foto: Wiktor Wieden/KIRCHE IN NOT)

„Sehnsucht nach Demokratie”

Was fordern die Menschen?

Die Weißrussen sind diszipliniert und ein sehr gut organisiertes Volk. Die Menschen tragen Blumen und Ballons in den Händen oder Schilder mit „Schlagt uns nicht!“. Sie gehen friedlich durch die Straßen; und die Versammlungen verlaufen ohne Aggression. In der kommunistischen Zeit haben sie genug Leid und Trauer erfahren. Sie wollen nur Frieden und Ruhe in ihrem Land und haben Sehnsucht nach Demokratie.

Die jungen Menschen in Belarus sind gut ausgebildet und beobachten mit Begeisterung ihre Nachbarländer Polen, Litauen und Lettland und wie sie sich entwickeln. Für sie ist die Zeit für Änderungen gekommen. Daher möchte die junge Generation sich Europa öffnen und ihre Kinder in Frieden und Toleranz aufwachsen sehen.

Europa wirkt etwas rat- und fassungslos zu den aktuellen Vorgängen und der anhaltenden politischen Situation in Belarus. Was können die EU und die osteuropäischen Nachbarn tun?

Ich bin sicher, dass das Volk in der Lage ist, seine eigenen Probleme selbst zu lösen. Papst Franziskus hat sich am 16. August an die Weißrussen gewandt: Er bat um Frieden und Gerechtigkeit sowie um Dialog mit der Gesellschaft. Ich denke, dass seine Botschaft sehr klar ist.

Eine Demonstrantin übergibt einem Ordnungshüter Blumen. (Foto: Wiktor Wieden/KIRCHE IN NOT)

„Menschen sind körperlich und psychisch verletzt”

Belarus ist ein christliches Land, die Mehrheit ist orthodox, die römisch-katholische Kirche hat einen Anteil von zehn Prozent der Bevölkerung. Tadeusz Kondrusiewicz, der römisch-katholische Erzbischof und Metropolit von Minsk-Mahiljou, hat vergangene Woche an die Öffentlichkeit appelliert und einen runden Tisch vorgeschlagen. Er fügte hinzu, dass Belarus noch nie erlebt hat, dass der Bruder das Blut seines Bruders an seinen Händen hat.

Die Brutalität hat tiefe Spuren hinterlassen. Er fragt, wer diese Wunden heilen werde. Die Menschen sind körperlich und psychisch verletzt. Aber es gibt eine enorm große Solidarität unter den Mitmenschen für die Betroffenen.

Was können die Kirchen dazu beitragen, die Situation zu befrieden?

Die Bischöfe haben zum Gebet aufgerufen. Nach den Gottesdiensten werden der Rosenkranz gebetet und Zeiten der Anbetung gehalten. Das Verkünden des Evangeliums und der Wahrheit ist zurzeit für die Priester und Ordensleute wichtiger denn je. Die Menschen suchen nach Trost und finden ihn im Glauben.

Demonstranten bei einem gemeinsamen Gebet. (Foto: Witalij Poliniewski/Catholic.by)

„Menschen finden Trost im Glauben”

Bischof Aleh Butkewitsch aus Wizebsk erzählte mir, dass die Menschen in Belarus oft in einem Gewissenskonflikt leben, weil sie Situationen erlebt haben, in denen sie gegen ihr eigenes Gewissen handeln mussten. Das Böse solle aber mit dem Guten bekämpft werden. Ein Beispiel dafür sind die Frauen auf den Straßen, die in ihren weißen Blusen die Milizmänner umarmt und Blumen hinter die Schutzschilde gesteckt haben.

Ich dachte, der postsowjetische Mensch sei misstrauisch, zeige keine Eigeninitiative und übernehme nicht gerne Verantwortung, aber diese Tage haben meines Erachtens in Belarus das Gegenteil bewiesen.

Wie ist das Verhältnis innerhalb der christlichen Konfessionen in Belarus? Wie steht es um den interreligiösen Dialog?

Gemeinsame Gebete für den Frieden im Lande sind aktuell auch ein Zeichen der großen Solidarität zwischen den Kirchen. Die orthodoxe Kirche und Vertreter verschiedener christlicher Konfessionen, des Judentums und des Islam haben sich dem Appell um landesweite Gebete von Erzbischof Kondrusiewicz angeschlossen.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz in Belarus sagte, es gebe keine Wahrheit, wo Gewalt herrsche. Jede gegen Gott und den Menschen gerichtete Tat sei eine schwere Sünde. Der orthodoxe Metropolit Pavel hat auch gebeten, auf Gewalt zu verzichten. Hass und Aggression seien keine Lösung.

Zu Beginn von Covid-19 hatten sich alle Konfessionen zusammengetan, um gegen die Pandemie zu beten. Das gab es laut Metropolit Kondrusiewicz noch nie. Die gemeinsamen Bestrebungen der katholischen und der orthodoxen Kirche für den Schutz des Lebens, gegen Abtreibung, und für die Familie sind seit Jahren bekannt.

Welche Zukunftsperspektive sehen Sie für Belarus?

Belarus ist ein Land mit herrlichen Landschaften, Seen und vielen Bodenschätzen. Die sogenannten landwirtschaftlichen Kolchosen gehören dem Staat. Die Menschen verlassen allerdings die Dörfer und gehen mehr und mehr in die Städte, um dort Arbeit zu finden. So habe ich das auf meinen Reisen in das Land erlebt. Es gibt Universitäten mit guten Dozenten, und die jungen Menschen lassen sich gerne ausbilden.

Das alles schafft Möglichkeiten für die Entwicklung eines Bewusstseins für Freiheit und Demokratie. Daher ist der offene und konstruktive Dialog mit den Regierenden wichtig. Die Stimme der Kirchen ist hier sicherlich entscheidend, denn nur die Wahrheit kann die Menschen retten.